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Archiv-Artikel

Wiederkehr der Stehaufmännchen

Die wiedervereinigte amerikanische Emocore-Combo The Get Up Kids erinnert sich im Postbahnhof ans Teenagerdasein

Der väterliche Rat: „Kind, du musst endlich erwachsen werden“, ist in der Welt der Popmusik unzulässig – und das zweifellos zu Recht. Viel zu sehr zelebrieren deren Bewohner die ewige Jugend und deren große Gefühle, als dass die Vernunft und das Alter dieser Haltung allzu viel anhaben könnten.

Eine womöglich besonders am Peter-Pan-Syndrom laborierende Ausgeburt des Pop-Planeten ging sogar so weit, das Prinzip Kindsköpfigkeit zum Namenspaten zu erheben: Die US-amerikanische Emocore-Band The Get Up Kids. Der aus Kansas City, Missouri, stammende Fünfer hat eine recht bewegte Adoleszenz hinter sich. Ein Überblick über die zehnjährige Schaffenszeit der Band ließ sich am Montagabend im Postbahnhof am Ostbahnhof erhaschen. Zu hören war eine eineinhalbstündige Werkschau der Stehaufmännchen, welche sich von frühen Ergüssen wie „Coming clean“ oder „Don’t hate me“ bis zu den Hits ihres Überalbums „Something to write home about“ erstreckte.

Die großen Gefühle

Gegründet wurde die Band vor 15 Jahren im Zug der zweiten Welle US-amerikanischen Emocores. Bis heute ist ersichtlich, wo die Anfänge der Get Up Kids liegen: in den Garagen von Kansas und bald darauf vor enthusiastischen Punks. Der ganz große Wurf gelang schließlich 1999 mit dem Album „Something to write home about“, welches die Band auch über Emocore-Kreise hinaus bekannt machte.

Im Jahr 2005 kam es jedoch nach zwei weiteren Alben zur Trennung der Get Up Kids. Die irgendwie erwachsen gewordenen Stehaufmännchen verstreuten sich auf mehrere neue Projekte, darunter die Akustik-Band The New Amsterdams von Mastermind Matthew Pryor. Hier ließ man es ruhiger und sachlicher angehen. Vorbei die großen Gefühle, welche sich durch eingängige Melodien an den Zuhörer schmiegten, während dieser mit 100 Dezibel beschallt wurde. Dahin schien die schöne Kindheit.

Bis ins Jahr 2008. Da verkündeten die Get Up Kids, mittlerweile bestehend aus Männern mittleren Alters, eine Reunion-Tour für das Jahr 2009. Nun hat diese Konzertreise anscheinend die alte Spiellust reanimiert, tingeln die ewigen Stehaufmännchen doch auch diesen Sommer wieder durch Europa. Am Montagabend bekamen 300 Konzertbesucher im Postbahnhof die bewährte Mixtur aus lyrischer Gefühligkeit und melodischer Eingängigkeit in die kampferprobten Gehörgänge gehämmert. Der Charme naiv-verspielten Garage-Rocks schwang in jedem Moment mit und animierte das angestachelte Publikum zu crowd riding und dezentem moshpit. Die Band umstrahlte hierbei die anrührende Aura erwachsener Männer, welche mal wieder auf ihrer kindlichen Spielwiese herumtollen dürfen. Da werden die alten Gefühle noch einmal durchlitten, da wird das ganze Liebesleid in postpubertär anmutende Verse wie „Oh Amy, don’t hate me, for running away from you. Oh Amy, don’t hate me. Cause I’m still in love with you!“ gepresst und in die Welt geschrien. Das ließ einen am Montagabend eintauchen in längst vergessenen Welt- und Liebesschmerz. Und mit einem Schmunzeln zurückdenken an jene Tage, als auch man selbst sich fühlte, als bliebe man auf ewig Peter Pan. TOBIAS NOLTE