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Archiv-Artikel

„Habts ihr Bock auf Rock?“

Auf „Absolute Straight“-Tour: Dem Auftritt der beiden „Deutschland sucht den Superstar“-Finalisten Tobias Regener und Mike Leon Grosch in Huxley’s Neuer Welt waren die Klimaanlagen gewachsen

VON CHRISTIANE RÖSINGER

Die Hitze brütet schwer über dem Parkplatz an der Hasenheide, verschwitzte Menschen eilen an diesem Dienstag spätnachmittags zu Baumarkt und Reichelt. In Huxley’s Neuer Welt aber ist es angenehm kühl und dunkel. Klimaanlage und Lüftung funktionieren in dem nicht einmal halb vollen Saal ausgezeichnet. Gleich treten hier die „Deutschland sucht den Superstar“-Finalisten Tobias Regener und Mike Leon Gosch auf. Und es sind nicht nur Eltern mit ihren Grundschulkindern da – bemerkenswert viele 20-, 30- und 40-jährige Frauen scheinen sich für die beiden Castingstars zu interessieren.

Mit viel Tamtam und Nebel beginnt die Show, dann steht Mike Leon Grosch auf der Bühne und „performt“ das erste Stück. „Berlin!! Ihr seid Hauptstadt!!“, schreit er, sobald der letzte Ton verklungen ist. „Ihr seid die geilsten Berliner der Welt!“ Ach, lauter Anfängerfehler: Er brüllt so, als hätte er kein Mikrofon, und macht Rockgesten, die er nicht beherrscht und die nur nach krummen Beinen aussehen. Außerdem hängt er sich, wie nur die ganz Blöden, den Backstagepass auf der Bühne um.

Dabei hat Mike Leon eine gar nicht so uninteressante Stimme, die Band spielt harmlosen Soft-Rock, der bei den Kindern in den ersten Reihen gut ankommt. Wenn er nur nicht immer so schreien würde: „Deutschland wird Weltmeister!!!“ Diese jovial-schwitzige Hemdsärmeligkeit, auf der RTL-Showbühne schon peinlich genug, ist im echten Leben schier unerträglich.

Ach, diese DSDS-Finalisten. Was mag aus ihnen allen geworden sein? Vanessa, die Drittplatzierte, die damals so aus tiefstem Herzen seufzte, sie wolle nie mehr zurück nach Wetzlar in ihr altes Leben, arbeitet sie wirklich an ihrer ersten Single? Und der arme Stefan Darmstaedt, der so süß aussah, aber leider nicht singen konnte? Den RTL-Reportern zeigte er seinen kleinen Zoo, nervlich zerrüttet hielt er seine Zwergkaninchen im Arm und heulte sie vor der Kamera voll, bis er dann freiwillig ausstieg.

Das Schlimmste an DSDS ist ja nicht die über Wochen andauernde Erniedrigung der Kandidaten, das Schlimmste ist, dass ihnen versprochen wird, nach dem Finale würde es losgehen mit dem Popstarleben. Dabei ist es ja dann schon zu Ende. Wer erinnert sich noch an Elli, die Siegerin der zweiten Staffel? Und Alexander Klaws geistert nur noch als Untoter durch drittklassige Veranstaltungen.

Auf der Huxleybühne bringt Mike Leon noch seine Single und „Love’s divine“ von Seal, dann gibt es zwanzig Minuten Pause. Zeit, sich umzuschauen. Der Merchandising-Stand ist gut bestückt, aber was gibt es Traurigeres als ein Tourshirt in Metallica-Optik, auf dessen Rückseite nur Braunschweig, Teisendorf und Singen steht?

Dann geht es weiter, man hat umgebaut. Tobias Regener wird als Rocker promotet, und um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, hat man die Rückwand der Bühne mit Marshalltürmen verbaut. Der Sound ist tatsächlich rockiger als bei Mike Leon, die Gitarren verzerren mehr, alles ist eine Spur wilder. Allerdings hat sich der Saal inzwischen weiter geleert, was daran liegen mag, dass Mike Leon die jüngeren Fans hat, deren Eltern rechtzeitig zum Spiel zu Hause sein wollen.

„Habts ihr Bock auf Rock?“, ruft der bayrische Rocker in die mageren Reihen. „Mein Name ist Tobias Regener, einige kennen mich hier!“, setzt er recht eitel hinzu. Nicht mehr lange!, will man da hämisch antworten. Tobias hat ein Album gemacht, „Straight“ heißt es, drei Songs darauf hat er sogar selbst geschrieben. Und obwohl man ihn bei RTL mit seinen blöden antrainierten Ergriffenheitsgesten und der Metalballaden-Mimik nicht mehr leiden konnte: Live wirkt er weniger anbiederisch und einfach cooler als sein Freund Mike Leon.

Am Schluss gibt es natürlich noch ein Duett der beiden „Freunde“ Mike Leon und Tobias. Neben dem musikalischen gibt es nämlich auch längst ein Verhaltensrepertoire für DSDS-Finalisten. Mit dem ständigen Wechseln zwischen Rivale- und Freundsein übt man mit ihnen die sportlichen Regeln der neoliberalen Gesellschaft ein: Sieger und Verlierer können sich ohne Triumph und Schmach zusammentun – wenn sie an sich arbeitet und nur das Beste geben.