: Keine Geschäfte von gestern
URHEBERRECHT Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bremst derzeit beim Leistungsschutzrecht. Textausschnitte im Internet sollen kostenlos verfügbar bleiben
VON CHRISTIAN RATH
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat die Verleger vor überzogenen Erwartungen beim umstrittenen Leistungsschutzrecht gewarnt. Auch eine Kulturflatrate fürs Internet lehnt die Justizministerin ab – dafür sympathisiert sie mit „automatischen Warnhinweisen“ für illegale Datentauscher. Das sind die Kernpunkte einer Grundsatzrede zum Urheberrecht, die Leutheusser-Schnarrenberger am Montagabend in Berlin hielt.
Darin bekannte sich die Ministerin klar zum Urheberrecht: „Es sichert die Existenzgrundlage der Kreativen“. Eine Bezahlung von Autoren durch den Staat oder reiche Mäzene sei keine Alternative, weil dies zu Abhängigkeiten führe. „Nur die individuelle Entlohnung der Leistung durch ein breites Publikum demokratisiert die Kultur und sichert die Vielfalt.“ Dies auch im Internet-Zeitalter durchzusetzen, sei die „vielleicht größte Herausforderung“.
Beim im schwarz-gelben Koalitionsvertrag vorgesehenen Leistungsschutzrecht für Zeitungs- und Zeitschriftenverleger trat Leutheusser-Schnarrenberger dagegen auf die Bremse: Das neue Recht, das die organisatorische Leistung der Verleger schützen soll, könnte verhindern, dass Online-Angebote der Zeitungen von anderen Netzfirmen kostenlos „ausgenutzt“ werden. Damit dürften Dienste wie Google News gemeint sein, die Nachrichten aus dem Netz automatisch zusammenmischen. Die Ministerin stellte allerdings klar: „Es geht hier nicht darum, den Informationsfluss im Internet zu beschneiden.“ Links auf Online-Zeitungen sollen kostenlos möglich bleiben, ebenso bloße Zitate. Zudem dürften die Verleger hier keine „finanziellen Wunder“ erwarten. Die strukturellen Probleme der Zeitungsverlage müssten anders gelöst werden. Sie werde jedenfalls „keine Schonräume schaffen für Geschäftsmodelle, deren Zeit abgelaufen ist“, so Leutheusser-Schnarrenberger.
Von einer Kultur-Flatrate im Internet, mit der Grüne und SPD liebäugeln, hält Leutheusser-Schnarrenberger wenig. Dabei müsste monatlich ein Pauschalbeitrag bezahlt werden, um im Netz alle urheberrechtlich geschützten Angebote frei nutzen zu können. Dies hätte jedoch „einen gewaltigen Verteilungskampf der Urheber um die Einnahmen zur Folge“. Bisher werden User, die beim Download illegaler Musik oder Filme erwischt wurden, von spezialisierten Anwälten im Auftrag der Rechteinhaber kostenträchtig abgemahnt. Dies werde vielfach als ungerecht empfunden, weil es ohne Vorwarnung erfolge, so die Ministerin. Sie suche deshalb nach Alternativen zum bisherigen Abmahnwesen.
Hoffnungen setzt sie auf ein Modell, das in den USA bereits praktiziert wird und in England im Herbst eingeführt werden soll. Dabei werden auch Internet-Provider in die Pflicht genommen: Wenn sie Urheberrechtsverstöße bemerken, bekommen ihre Kunden automatische Warnhinweise wie „Hallo, was Du da gerade tust, ist illegal und verletzt das Urheberrecht“ auf den Bildschirm. Dies könne erzieherische Wirkung haben, „eine gesetzlich angeordnete Kontrolle des individuellen Surfverhaltens kann es aber nicht geben“. Das Warnhinweis-Modell könne für sie nur dann in Betracht kommen, wenn es „ohne Inhaltskontrolle und Datenerfassung zu realisieren wäre“. Experten halten dies für fraglich.
Keine Three-Strikes-Regel
Abgelehnt wird von der FDP-Politikerin auch eine Three-Strikes-Regelung nach französischem Vorbild. Danach wird Nutzern, die dreimal bei Urheberrechtsverstößen erwischt wurden, der Onlinezugang gesperrt oder dessen Leistung gedrosselt.
Leutheusser-Schnarrenberger sah ihre Grundsatzrede als Auftakt für einen Dialog mit der Gesellschaft – obwohl sie anschließend keinerlei Fragen zuließ. In mehreren Anhörungen soll nun der sogenannte 3. Korb der Urheberrechtsreform vorbereitet worden. Die ersten beiden Körbe (bzw. Pakete) waren 2003 und 2007 beschlossen worden.