NICOLA LIEBERT ÜBER EINE GEMEINSAME EU-WIRTSCHAFTSREGIERUNG : Deutsche Machtpolitik
Dass der Euro-Stabilitätspakt nicht für Stabilität sorgt, das zeigte spätestens die längst zur Eurokrise mutierte Griechenlandkrise. Eine Obergrenze für die staatliche Schuldenaufnahme rührt nämlich nicht an die wachsenden Ungleichgewichte in der Währungsunion: hier das Exportwunderland Deutschland, das nicht zuletzt mit seiner Niedriglohnstrategie alle anderen Konkurrenten an die Wand drückt. Da die Länder an der Peripherie, die immer höhere Leistungsbilanzdefizite einfahren. Da sie keine eigene Währung mehr haben, können sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht mal mehr durch eine Abwertung wiederherstellen. Dieses Problem, das die wesentliche Ursache für die aktuelle Krise darstellt, lässt sich nur durch eine gemeinsame Wirtschaftspolitik angehen, eine Politik, die auch Faktoren wie Wettbewerbsfähigkeit, Löhne und Nachfrage berücksichtigt.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy fordert deshalb seit längerem eine Wirtschaftsregierung für die Eurozone. Weil sich Angela Merkel dieser Erkenntnis nicht ganz verschließen kann und um das deutsch-französische Verhältnis nicht ganz vor die Wand fahren zu lassen, erklärte sich die Bundeskanzlerin jetzt zu einem Kompromiss bereit: gemeinsame Wirtschaftspolitik ja – aber nicht so, dass man davon etwas merkt. Jedenfalls nicht hierzulande. Das deutsche Modell, auf Kosten der Nachbarländer die Ausfuhren immer weiter zu forcieren, soll schließlich nicht angetastet werden.
Der Trick: Der Tiger bekommt keine Zähne. Es wird eine Pseudo-Wirtschaftsregierung geschaffen ohne eigenes Sekretariat, dafür unter Einschluss aller 27 EU-Mitglieder. Da dann auch EU-Skeptiker und Regulierungsfeinde wie die britische Regierung mitreden, ist garantiert, dass sich am Status quo nichts ändern wird. Dass sich die deutsche Regierung diesmal durchsetzen konnte, dürfte sich jedoch spätestens bei der nächsten Krise eines Eurolandes als Pyrrhus-Sieg erweisen.
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