piwik no script img

Archiv-Artikel

neues aus neuseeland: junge, komm nie wieder (feat. tom cruise)

Nichts kann mir die Freude an meinem Exil so schnell vermiesen wie ein Promi, der plötzlich sein Herz für die Natur entdeckt. Eines werde ich Peter Jackson daher nie verzeihen: dass er seine am Ende der Welt versteckte Heimat in Hollywood salonfähig gemacht hat. Bevor Mittelerde vermörtschendeist wurde, bis sich Tolkien dreimal im Grab gedreht hatte, wusste doch keine Kuh in Malibu, wo Neuseeland überhaupt liegt. Geschweige denn, dass man dort Filme dreht, guten Wein trinkt und den Velcro- Klettverschluss erfunden hat. Höchstens Forellenangler und Bungy-Springer verirrten sich in den Zeiten der Unschuld in die „Schweiz der Südsee“. Filmstars dagegen urlaubten auf St. Barth oder in der Entzugsklinik.

Als Viggo Mortensen in Wellington eine Dichterlesung hielt, ahnte ich, was uns ab jetzt droht: Promi-Liebe. „I love NZ“ hatte Orlando Bloom bei der Premiere von „Herr der Ringe“ auf seinem T-Shirt stehen. Mit Viggorlando hätte man’s ja zur Not noch ausgehalten. Die beiden kann man sich recht hübsch in Gummistiefel und Flanellhemden verpackt bei der Wildschweinjagd an der Westküste vorstellen, nasses Haar und Schlammspuren im Gesicht. Auch nach Abalone-Muscheln würde man sie gerne mal tauchen sehen, falls das Wasser nicht zu kalt ist und sie Ganzkörper-Neopren tragen müssen.

Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Ausländer sind mir und meinen Mitbürgern überall willkommen. Es gibt eine ganze Reihe Kulturträger Amerikas, von Noam Chomsky bis Annie Sprinkle, die man mit Freude in Kiwi Country begrüßen würde. Warum muss es ausgerechnet Tom Cruise sein?

Schlimm genug, dass der Ober-Thetan seinen Film „Der letzte Samurai“ rund um Taranaki drehte, weil der neuseeländische Berg dem Fujiama in Japan so ähnlich sieht. Dummerweise fühlten die ortsansässigen Maori ihr Heiligtum durch die Dreharbeiten entweiht. Dem Eingeborenen-Stress entfloh Cruise leider nicht durch Harakiri, sondern indem er auf der Südinsel am malerischen See von Wanaka in einer Nobel-Lodge urlaubte. Das Alpenpanorama muss den frommen Scientologen so bewegt haben, dass die Gefühlsschwankung mit dem E-Meter nicht mehr auszumerzen war. Die üble Spätfolge: In „Mission Impossible 3“ wird der Lake Wanaka gleich zweimal erwähnt. Spezialagent Ethan Hunt hat dort laut Drehbuch einst ein Wochenende mit seiner Verlobten verbracht. Später, als es ums Retten der gekidnappten Schönen geht, fragt der Filmheld sie nach dem Namen des Sees, um zu sehen, ob seine Holde noch lebt. Codewort Wanaka. Ganz großes Kino.

Die Vermarkter der Region freuen sich über die kostenlose Werbung natürlich ein Loch in den Bauch. Was Helmut Cabbage für den Wolfgangsee getan hat, wird Tom Kreuzfahrt für den Wanaka-See leisten – egal ob daran die Botschaft L. Ron Hubbards klebt. „Wir würden uns sehr freuen, ihn und seine Familie hier wieder zu empfangen“, vermeldete John Alldred, der Tourismus-Boss der Sommerfrische, entzückt. Vielleicht sollte er dem Ehrengast verraten, dass im angrenzenden Nationalpark ein Tal namens Siberia liegt. Da prangen zwei Berge, Mt. Awful und Mt. Dreadful. Nur dort, im tiefsten Sibirien, ist Tom Cruise herzlichst willkommen.