: „Es ist ein Wettlauf gegen die Frustration“
taz: Frau Schlicher, Sie bezeichnen die Krise als „hausgemacht“, doch auch die UNO hat Fehler gemacht. Welche?
Monika Schlicher: Die UNO hat ihre Mission zu schnell drastisch reduziert. Sie war Geburtshelferin dieses neuen Staates und hat die Probleme in ihrer Dimension falsch eingeschätzt. So war bekannt, dass das Justizsystem kaum funktionsfähig ist, dass die Armut zugenommen hat, obwohl es schon eines der ärmsten Länder ist, dass es in der Polizei große Probleme gibt und sie in der Bevölkerung schlecht angesehen ist. Vor allen diesen Problemen hat man die Augen verschlossen und Osttimor als Erfolgsgeschichte dargestellt.
Osttimors Außenminister José Ramos Horta forderte schon 1999, dass die Blauhelmtruppe mindestens fünf Jahre bleibt. Doch sie blieb keine drei. Warum?
UN-Missionen sind sehr teuer. Kofi Annan hat es gestern nett formuliert, wir haben die Lektion zu lernen, wir sind zu früh rausgegangen, aber er sei in der Hand der UNO-Mitglieder. Und da war es auch Australien, das auf ein rasches Ende der UN-Mission gedrängt hat.
Welche Lehre sollte die UNO ziehen?
Dass Missionen langfristig angelegt sein müssen und der Staat sehr viel mehr Unterstützung braucht. Andererseits ist es nicht nur ein Problem der UN, sondern auch der Regierung in Dili. So musste die UNO im letzten Jahr das Sondergericht und die Anklagebehörde für die schweren Straftaten schließen, obwohl die Arbeit nicht zu Ende war. Das trägt jetzt mit zur Krise bei: Vertrauensverlust in die staatlichen Organisationen, keine funktionsfähige Justiz und das Propagieren von Straflosigkeit.
Kann die anvisierte neue Mission die Probleme lösen?
Sie ist ein Beitrag zur Lösung der Probleme. Die Polizei hat sich in Dili praktisch aufgelöst, von daher kann die Schaffung von Ruhe und Ordnung eine Aufgabe der UN-Polizisten sein. Andererseits muss die osttimoresische Regierung den Problemen im Land begegnen. Da liegen die Versäumnisse der letzten Jahre.
Welcher Schritte bedarf es?
Entwicklungsmaßnahmen in den ländlichen Gebieten, Bekämpfung der Armut, Schaffung von Arbeitsplätzen, Lösung des Problems der Integration der ehemaligen bewaffneten Unabhängigkeitskämpfer, Neuaufbau der Strukturen des Sicherheitsapparates, Wiederherstellung des Vertrauens in die staatlichen Institutionen. Es ist ein Wettlauf gegen die Frustration. Man hat der Bevölkerung sehr viel versprochen. Davon wurde wenig umgesetzt. INTERVIEW: HAN