: Stefan Aust, Senderbesitzer
N24 Das Bieterkonsortium um den Ex-„Spiegel“-Chef kauft ProSiebenSat.1 den lustigen Nachrichtensender ab, kündigt Entlassungen und die Auferstehung der „Woche“ an
VON DANIEL BOUHS
Lässt sich mit Informationsfernsehen überhaupt Geld verdienen? Ex-Spiegel-Chef Stefan Aust, N24-Chef Torsten Rossmann und TV-Produzent Thorsten Pollfuß müssen ziemlich davon überzeugt sein, dass das geht: Das Trio übernimmt den Nachrichtenkanal N24, den die Sendergruppe ProSiebenSat.1 zehn Jahre lang erst aufgebaut, dann wieder kleingefahren hat – und seit November wie sauer Bier zum Verkauf anbot.
N24, das Programm mit den lustigen Dokus über Flugzeugträger, ist nicht bloß Nachrichtenkanal, sondern liefert auch die News-Schnipsel für die Sender der TV-Familie sowie das „Sat.1 Frühstücksfernsehen“ und das „Sat.1 Magazin“. Und das soll auch so bleiben, N24 soll bis 2016 ProSieben & Co. mit News-Sendungen und bis 2014 über die N24-Schwesterfirma Maz & More mit Magazinen beliefern.
ProSiebenSat.1 ist damit zu großen Teilen los, was dem Münchner Konzern zuletzt schlicht zu teuer und zu lästig war: Informationsfernsehen. Das soll sich N24 nun eher einkaufen, statt es selbst zu produzieren. 74 Stellen werden so eingespart, daneben wird bei den „variablen Produktionskosten“ angesetzt, sagte Rossmann und erklärte das so: „Eine Zeitung kann man ja auch mit vielen Autoren füllen oder mit weniger Autoren und mehr Agenturmaterial.“ Im September, so hieß es offiziell, sollen „nach heutigem Stand 218 Vollzeitstellen bei N24 besetzt sein“. Pro7, Sat.1 und Kabel Eins wollen ihre Moderatoren künftig direkt unter Vertrag nehmen – und sich so auch ihre Sendergesichter sichern.
Option Bequemlichkeit
Der Privat-TV-Konzern hat sich damit für die Option „Bequemlichkeit“ entschieden – und übt seine publizistische Verantwortung nur noch mit Unterschriften unter Lieferverträge aus. Für die Konzernspitze ist das ein Befreiungsschlag: Ob sich News rechnen, kann ihr nun egal sein. Aust und Konsorten haben erklärt, den Sender neu strukturieren zu wollen. Vom Aufbau eines Videojournalistennetzes ist die Rede. Das aber heißt: Informationsfernsehen auf Sparflamme. „VJs“ gehen zulasten der Qualität. Denn wie soll sich ein Reporter noch auf den Inhalt konzentrieren, wenn er mit der Technik beschäftig ist, weil er als Journalist und Techniker in Personalunion unterwegs ist?
Außerdem möchte Aust seine Idee der Woche, sein auf Kosten der WAZ-Gruppe entwickeltes Nachrichtenmagazin, mit in den neuen Laden einbringen. WAZ und Springer hatten das Projekt geprüft, Anfang Mai aber abgeblasen. Man sei dabei, neue Partner zu suchen, sagte Aust. „Es kann auch sein, dass wir es zunächst nur im Netz machen.“
N24 soll derweil für seine News künftig nur noch mit der Hälfte des bisherigen Budgets arbeiten, wie es offiziell hieß. Ob da der Vorschlag von ProSiebenSat.1-Chef Thomas Ebeling wieder ausgepackt wird, mehr Standbilder zu zeigen? Man darf jedenfalls gespannt sein, ob sich die ohnehin schon äußerst läppisch daherkommenden Nachrichten bei ProSieben, Sat.1 und Kabel Eins noch unterbieten lassen.
Kontaktmann Aust
Gleichzeitig versprach Rossmann gestern: „Wir wollen N24 als Nachrichtensender ausbauen.“ Vor allem die Politikberichterstattung solle geschärft werden. Er stellte ein „Leistungsportfolio, das vom Boulevard zu den Hard News reicht“, in Aussicht. N24 wolle dabei „Auftragnehmer von vielerlei Seiten werden“. Jetzt, wo das Unternehmen nicht mehr nur einem Konzern verpflichtet ist, geht das. Aust verkündete schon mal an, sich persönlich „ganz wesentlich ums Neugeschäft“ kümmern zu wollen. Wie das geht, weiß er: Seit Jahren produziert er fröhlich für das ZDF aufwendige Dokus wie einen Dreiteiler zu den Folgen der Globalisierung.
Aust frohlockte gestern: „Dass die ARD mit Stefan Raab zusammenarbeitet, zeigt, wie sehr die Grenzen zwischen Privaten und Öffentlich-Rechtlichen inzwischen offen stehen.“ Dass ausgerechnet N24, mit dem ProSiebenSat.1 einst gegen die gebührenfinanzierte Konkurrenz von ARD und ZDF antreten wollte, nun die öffentlich-rechtlichen Kanäle infiltrieren will, ist schon komisch.