Berliner Platte : Zum Sommer in Berlin der passende Sound des Gebirgsflusses Lim
Berliner Sommertage erfordern ihren ganz eigenen Sound. Wenn die Hitze die Luft über der Stadt zum Flimmern bringt und man zu den Glücklichen gehört, die weder arbeiten noch sich sonst groß bewegen müssen, geht Reggae oft und Rhythm and Blues immer. Vielerorts sind – Migration sei Dank! – auch orientalische Sounds zu hören. Wer die Zeiten, wenn sich Berlin in eine südländische Stadt verwandelt, mit diesen verbindet, ist mit Reuf Sipovićs „River Lim“ gut beraten.
Rein instrumental beschreibt Reuf auf seiner Erstlings-CD den Lauf des Gebirgsflusses Lim. Der entspringt dem See Plav im nördlichen Teil Montenegros und mündet in Serbien in die Drina. Seinen Namen hat er von „Limes“, dem lateinischen Wort für Grenze, womit ursprünglich die zwischen dem ost- und dem weströmischen Reich gemeint war. Heute markiert der Lim die Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien. Der Fluss hat viele Gesichter. An manchen Stellen ist er wild und daher seit den 80er-Jahren ein Rafting-Geheimtipp. In anderen Teilen ist der Lauf des Lim ruhiger. Dort wird geschwommen und geangelt.
Reuf Sipović kennt den Lim in- und auswendig: Er ist an seinem Ufer aufgewachsen. „Am Lim habe ich in meiner Kindheit die meiste Zeit verlebt“, erzählt er, „bin Kanu gefahren, täglich 15 Kilometer mit und gegen die Strömung.“ 1993 war damit Schluss. Reuf, damals 17, zog Berlin dem Dienst in der serbischen Armee – und damit einer Teilnahme am Krieg in Bosnien – vor. Doch die Spree konnte den Lim nicht recht ersetzen: „Nur Leute, die an einem Bergfluss aufgewachsen sind, wissen, was das für ein Erlebnis ist“, sagt Reuf.
13 Jahre nach seiner Ankunft in Berlin hat Reuf den Lim musikalisch eingefangen. Die Stücke fließen wie der Fluss: mal ruhig und fast melancholisch, mal leidenschaftlich und kraftvoll. Verspielte Concertinolinien tanzen vor dem Hauch einer Heavy-Metall-Gitarre, dahinter wubbert ein minimalistischer Bass, gewürzt von Percussion und Drums. Die Harmonien erinnern mal an den Bosporus, mal an die iberische Halbinsel. Und sind doch alle Bosnien, wo neben Kroaten, Serben, Türken und Roma seit ihrer Vertreibung aus Spanien auch sephardische Juden leben und mit ihren Sounds die einheimische Musik beeinflusst haben.
Zentral ist bei Reuf und River Lim der Einfluss des „Sevdah“. Der Name dieser traditionellen bosnischen Musik kommt vom türkischen Wort für Liebe. Wobei es sich natürlich – wo bliebe sonst die Dramatik – um die tragische Variante handelt: In den traditionellen „Sevdalinke“ stürzen sich gegen ihren Willen verheiratete und nicht gewollte Bräute von Brücken, klagten verschmähte männliche Seelen ihr Leid, lamentieren vom Schicksal geschlagene Menschen über ihr Los. Daher werden die Sevdalinke oft mit dem Blues verglichen.
Womit wir wieder bei den Berliner Sommertagen wären: Pünktlich zu denen können Freunde der orientalischen Beschallung River Lim nämlich jetzt von www.lavasound.de herunterladen. Ab Anfang Juli wird die CD auch im Handel erhältlich sein. Möge sie vielen viele heiße Tage versüßen. RÜDIGER ROSSIG