: Probier’s mal ohne Amtlichkeit
CROSSOVER Vor zwanzig Jahren fusionierten Saprize aus Bremen Heavy Metal und HipHop. Der große Erfolg blieb aus. Jetzt feiert die Band ihren 20. Geburtstag mit Ferris MC
Uzi MC
VON ANDREAS SCHNELL
1993, das war nicht nur das Jahr, als „Punk broke“, wie es Sonic Youth formulierten – als also mit dem Erfolg von Nirvana das kulminierte, was gut zehn Jahre zuvor von Bands wie Black Flag losgetreten worden war. Es war auch das Jahr von „Judgement Night“, dem Soundtrack zum gleichnamigen Film, auf dem Rock und HipHop den Schulterschluss vollzogen: Slayer spielten mit Ice-T, Faith No More mit Boo-Yaa T.R.I.B.E., Pearl Jam mit Cypress Hill und so weiter. Der Film mit dem etwas dämlichen deutschen Untertitel „Zum Töten verurteilt“ ist heute mehr oder weniger vergessen. Der Soundtrack inzwischen auch. Aber das dauerte ein paar Jahre länger. Jahre, in denen der Crossover aus Metal und HipHop bis zum Überdruss durchexerziert wurde. Bevor der Soundtrack von „Judgement Night“ Furore machte, hatten fünf junge Männer aus Bremen dessen Grundgedanken schon umgesetzt: Das HipHop-Duo Saprize hatte gleichsam das Extrem-Hardcore-Trio Harmonizer kooptiert und schon nach dem ersten, noch reichlich improvisierten Auftritt einen Plattenvertrag in der Tasche.
Das war im Sommer 1993. „Alwaysacutahead“, so hieß das Debüt, erschien zwei Monate vor dem oben erwähnten „Judgement Night“-Soundtrack. Der Rest ist Geschichte? Nun ja, eine Geschichte schon – und gar keine schlechte. Aber nicht unbedingt ein Stück Musikgeschichte. Den großen Erfolg hatten nämlich andere Bands. Auf internationaler Bühne waren das Kasperles wie Dog Eat Dog, in Deutschland gehörten Such A Surge zu den Abräumern. Die Bremer sehen ihre Rolle allerdings ohnehin ganz bodenständig: Schlagzeuger Gregor Hennig ist der Ansicht, die Idee habe sozusagen in der Luft gelegen. Alex Böll alias Uzi MC hält den Gedanken, Metal und HipHop zu kreuzen, für „eine logische Schlussfolgerung“ aus den eigenen Vorlieben. Und gibt zu bedenken, dass wahrscheinlich schon „Walk This Way“ von Run DMC und Aerosmith wahrscheinlich das erste Mal war, dass sich „Rapper mit langhaarigen weißen LA-Freaks zusammengetan haben“. Das war 1986.
Ein bisschen vom Crossover-Kuchen kam allerdings durchaus in Bremen an. Wobei die unbeschwerte Attitüde der Band zugleich ihren Charme ausmachte sowie möglicherweise dem großen Erfolg im Wege stand. „Wir hatten diese Amtlichkeit nicht“, sagt Gregor Hennig im Rückblick. 1994 flogen Saprize nach London, um ihr zweites Album „No“ aufzunehmen, es folgten Konzerte mit Schwergewichten wie Boo Yaa Tribe, Chumbawumba, Consolidated, Dubwar, Gunshot und Grandmaster Flash.
Uzi MC wurde es dann bald zu viel. „Ich wollte lieber wieder Bass spielen und in besetzten Häusern spielen“, erklärt er. Und das war der Anfang vom Ende. Nicht nur musikalisch fanden die verbliebenen drei Musiker Ben Rodenberg, Ingo Klein und Gregor Hennig keinen passenden Ersatz. Alte Freundschaften lassen sich eben nicht so einfach kompensieren.
Die Band löste sich schließlich 1997 nach einem dritten Album auf, Ben Rodenberg ging nach Berlin, gründete eine Konzertagentur und spielt in den Bands Kapaikos und Hanns Martin Slayer, Gregor Hennig machte sich als Toningenieur selbstständig, zunächst in Hannover, dann in Hamburg, bevor er in diesem Jahr ins renommierte Studio Nord in Bremen einzog. Ingo Klein arbeitet in der Software-Branche, Alex Böll hat unter anderem einen Lehrauftrag an der Bremer HfK und spielt Bass bei Home Of The Lame und Terra Flop.
Hier könnte die Geschichte enden – hätte sich nicht 2006 mit RB Records ein japanisches Plattenlabel gemeldet. Zwei Jahre später erschien in Japan ein „Best of“-Album der Bremer. Was dazu führte, dass die Band doch noch einmal den Proberaum betrat. Die Japaner hatten die Musiker nach Tokio eingeladen, wo Saprize ein ausverkauftes Konzert spielten. Ein Auftritt auf der Breminale folgte vergangenes Jahr, jetzt wird der 20. Geburtstag in Bremen gefeiert, gemeinsam mit einem alten Wegbegleiter aus Bremen, der seine ersten musikalischen Gehversuche auch vor 20 Jahren unternahm: Ferris MC, heute solo und als Mitglied von Deichkind eine feste Größe in der deutschen Szene.
■ Donnerstag, 20 Uhr, Schlachthof