: Hunde sollen Leine kennenlernen
ERGEBNIS DES BELLO-DIALOGS
Um der Wahrheit über Berlin ziemlich nahezukommen, genügt es, sich das Verhältnis zwischen Hundehaltern und den übrigen Berlinern anzuschauen. Die Devise lautet: Leben und leben lassen. Konkret bedeutet das, dass die offiziell gemeldeten 100.000 Hunde überall hinkacken, Leinen nur aus dem Fernsehen kennen und der Spruch „der will nur spielen“ unausgesprochen immer gilt. Für die unangemeldeten Hunde gilt das natürlich auch.
Hundehalter sind also die wahren Anarchisten. Das nervt viele Nichthundehalter natürlich fürchterlich. Aber da sie auch nicht fehlerfrei sind – in Parks verbotenerweise grillen, alte Sofas auf den Bürgersteig stellen, bei Rot über die Ampel fahren –, mosern sie höchstens leise. Erst wenn mal wieder ein Hund die Devise verletzt und einem Menschen an die Gurgel geht, wird heiß diskutiert.
Nun hat die Politik in den vergangenen Jahren versucht, den Berlinern die anarchistischen Züge auszutreiben, indem etwa das Grillen in Parks immer umfassender verboten wurde und Partys am liebsten nur noch in Zimmerlautstärke stattfinden können. Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) hatte sich im Rahmen dieser Erziehungsmaßnahmen auch die Hundebesitzer vorgenommen und den sogenannten Bello-Dialog initiiert. Da durften Hundehalter und -hasser endlich mal offen sagen, was sie voneinander halten.
Das Ergebnis – ein neues Hundegesetz – stellte Heilmann am Mittwoch vor: Leinenzwang selbst auf Gehwegen. Wer das nicht will, muss einen Hundeführerschein machen. Die Liste der gefährlichen Hunde, die einen Maulkorb tragen müssen, wird auf vier Rassen verkürzt. Dafür sollen aber auch Tiere, die eigentlich als „lieb“ gelten, als gefährlich eingestuft werden – etwa wenn sie auffällig werden.
Das klingt erst mal ganz nett. Wahrscheinlich ist das Gesetz aber lediglich eine weitere der vielen Senatsinitiativen ohne Biss – weil die Einhaltung wegen Geld- und Personalmangel nicht kontrolliert werden kann.
Das ist ja auch der Grund, warum in Parks weiterhin überall gegrillt wird. Die Berliner lassen sich ihren Anarchismus halt nicht so leicht austreiben. Das ist zwar manchmal im wahrsten Sinne des Wortes scheiße. Aber oft auch gut so. BERT SCHULZ