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Archiv-Artikel

Farbenspiel mit Schwarz

KOALITIONEN In Hessen die Grünen, in Berlin die Sozialdemokraten: Bündnisse schließen mit der CDU wird zum Parteiensport. Die Leserinnen und Leser der taz goutieren diese Konstellationen nicht, sondern halten sie für zu neoliberal, zu wenig öko, zu unsozial

This is the end

■ betr.: „First We Take Mainhattan, Then We Take Berlin“, taz v. 18. 12. 13

Der Bericht über die Koalition in Hessen macht es deutlich, sagt es aber nicht: Die Grünen haben nichts Substantielles herausgehandelt. Sie stehen mit leeren Händen da, wie Tarek Al-Wazir auf der Titelseite. Es geht ihnen um 2017, was im Klartext heißt, nur noch ums Mitregieren. Vo dem Versprechen und Anspruch, mit dem die Grünen einst in die Politik eintraten und viele Bürger wachrüttelten, ist nichts geblieben.

Diesen Koalitionsvertrag hätte die CDU mit sich selbst schließen können. Aber umso besser für sie. Nun haben sie die Grünen als Karikatur ihrer politisch-moralischen Existenzberechtigung bloßgestellt, als grüne Krawattennadel auf ihrem schwarzen Anzug. Für die Grünen kann Mitregieren nur den Sinn haben: Handfeste Schneisen für eine ökologisch-soziale Verbesserung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen vertragsmäßig festzuschreiben. Sonst lieber gute Opposition. Wer aber in der Opposition donnert und als Koalitionär nur Absichtserklärungen lächelnd verkauft, macht grüne Politik zum Ziel von Häme und Spott.

Von dem Impetus, aus dem die Grünen einst gegründet wurden, ist da nichts mehr zu spüren: die Machtlogik eines tödlichen Wirtschaftswachstums durch eine ökologische Politik auszubremsen, um möglichst die Schöpfung zu retten. Was heißt da, die Wirtschaft mitnehmen? Das ist doch einfach lächerlich oder Volksverdummung. Leider haben die Grünen alle Rechtfertigung für ihre Existenz verloren. Ich trauere darum. KLAUS-PETER LEHMANN, Augsburg

Ein Linsengericht

■ betr.: „Pragmatismus statt Politikwechsel“, taz vom 18. 12. 13

„Hessen wechselt zu weniger Fluglärm“, stand auf den Grünen-Wahlplakaten in Hessen. Tarek Al-Wazir versprach den Hunderttausenden vom Fluglärm gepeinigten Menschen eine Ausweitung des Nachtflugverbotes um zwei Stunden, also von 22 bis 6 Uhr.

Wer damit auf Stimmenfang geht und dann eventuell eine halbe Stunde mehr Nachtruhe „brutalstmöglich“ aushandelt, veräppelt seine Wähler. Arg schad, dass die taz nicht darauf hinweist, dass durch die einstündige wechselseitige Verlagerung des Fluglärms die Menschen nicht entlastet werden. Da wird auch nichts wie versprochen leiser, den Fluglärm, den die Geschädigten weniger haben, bekommen sie am nächsten Tag doppelt zurück. Und das auch nur, wenn Fraport gnädig ist und die aktuell stark zurückgegangenen Flugbewegungen nicht wieder ansteigen.

Der unsinnige Frankfurter Flughafenausbau – das zentrale grüne Wahlkampfthema – wird so für ein Linsengericht an die CDU verhökert.

FRIEDHILDE SCHOLL, Frankfurt

Volkskammer

■ betr.: „Mix aus Utopie und Pragmatik“, taz vom 19. 12. 13

Die CDU kann Angela Merkel und Volker Bouffier auf ewig dankbar sein. Die CDU ist die einzige Partei, die im Land und Bund nun alle Optionen hat, um dauerhaft regieren zu können. Mittlerweile wirkt es sogar wahrscheinlicher, dass es vielleicht in Brandenburg oder im Saarland in zehn Jahren zu einer Koalition CDU/Die Linke kommt, als zu einem linksliberalen Bündnis aus Rot-Rot-Grün. Mit dieser CDU ist alles möglich, dies ist nicht zuletzt aber auch der Feigheit der SPD und der Beliebigkeit der Grünen geschuldet. Der Bundestag wird so immer mehr zur Volkskammer mit einer Partei an der Macht und lauter Blockparteien als Fassade.

Hoffentlich reizt man das nicht aus, dass wir am Ende noch braune Populisten rechts außen sitzen haben.

MARKUS MEISTER, Kassel

Wählerverrat

■ betr.: „Schwarz-Grünes Hessen als Modell“, taz.de 17. 12. 13

Die Grünen können nur noch abkassieren, was linksgrüne Aktivist_innen erkämpft haben: Kampf gegen Stuttgart 21 und Kampf für die Energiewende. Aber sie können selbst keine Erfolge vorweisen, stattdessen Verrat an ihren Wählern.

Ich präzisiere: Sie konnten nur noch abkassieren. In der nächsten Bundestagswahl werden sie wie die SPD verlieren, wenn sie bis dahin so weitermachen. Die Linke wird dann deutlich stärker, wenn sie nicht den Weg der Anpassung an Rot-Grün geht – also Anpassen an das System.

Die Schwäche von Rot-Grün könnte die Rechten weiter stärken, außer die linken Kräfte – Gewerkschaften, Belegschaften, Studierende, Antiatomkraftbewegung, Umweltorganisationen, Friedensbewegung etc. – kämpfen für eine menschenwürdige Zukunft.

ZUKUNFT, taz.de

Vorbild FDP

■ betr.: „Pragmatismus statt Politikwechsel“, taz.de vom 17. 12. 13

Die beiden Koalitionen in Berlin und Wiesbaden zeigen eines: Es gibt in diesem Land nur noch eine Partei links von der Mitte. Und das ist wirklich mehr als ärgerlich.

Man muss als moderater Linker das Geseire von spinnerten Sozialismus-/Kommunismus-Fans, die leider bei der Linkspartei auch zu finden sind, in Kauf nehmen, wenn man eine Politik will, für die früher mal die Grünen (oder die SPD) standen.

Klar ist jedenfalls nun eines: Die heutigen Grünen sind genauso „wichtig“ für die politische Landschaft dieses Landes wie die FDP. Und mit ein wenig Glück werden sich die Grünen den Prozentzahlen, die von der FDP aktuell erreicht werden, annähern.

KABOOM, taz.de

Wo ist das Problem?

■ betr.: „Ursula von der Leyen. Kanzlerin der Reserve“, taz.de vom 16. 12. 13

Ursula von der Leyen war eine sehr gute Familien- und Frauenministerin. Ohne sie wären wir als Land gerade bei der Kinderbetreuung wohl nicht so weit gekommen. Im Arbeitsressort ist ihre Bilanz durchwachsener; ein Erfolg war ihr Bildungspaket, gegen Niedriglöhne tat sie nichts (was in der früheren Koalition aber auch kaum möglich war).

Sie ist auch immer an internationalen Fragen interessiert, bringt also ein Grundinteresse mit. Detailwissen wird sie sich durch die Akten aneignen können, alles andere wird man sehen müssen. Thomas de Maizière galt 2011 als perfekte Lösung, seine Bilanz ist aber schwach ausgefallen.

Frauen haben in vielen Ländern bereits das Verteidigungsressort geleitet. Ich sehe hier im Prinzip überhaupt kein Problem.

Natürlich ist es immer noch nicht ganz „normal“, wenn eine Frau ein solches Amt übernimmt. Es sollte kein Thema (mehr) sein, ist es aber wohl doch, auch wenn man die Reihe an sexistischen Kommentaren hier sieht: www.taz.de/Ursula-von-der-Leyen/!129515. SÖREN, taz.de

Dumpfer Shitstorm

■ betr.: „Kanzlerin der Reserve“, taz vom 17. 12. 13

Solange noch gestritten wird, ob eine Frau geeignet ist, das Verteidigungsministerium zu leiten, so lange ist die Behauptung, Frauen wären in Deutschland gleichberechtigt, eine Schimäre. Wir befinden uns im Transformationsstadium. Es fehlt (noch) die Selbstverständlichkeit, dass Frauen jede Position ausfüllen können.

Frauen in wichtigen Staatsämtern überdecken für gewöhnlich, dass die Frauen außerhalb des Rampenlichts täglich um die Gleichberechtigung ringen müssen: Frauen ab Mitte 30 haben massive Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Haben sie keine Kinder, wird ihre baldige Niederkunft herbeifantasiert, haben sie Kinder, wird ihr Einsatz für den Job grundsätzlich in Abrede gestellt. In den deutschen Köpfen wird die Hauptverantwortung für Kinder den Müttern, und den Vätern noch immer die Sicherstellung des Familienunterhalts zugewiesen. Andere Familienmodelle haben es schwer, nicht zuletzt, weil die Politik mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit nicht Schritt hält. Und so leben 70 Prozent aller Mütter mit zwei Kindern in den neuen Bundesländern von Hartz IV und deswegen bezahlt eine berufstätige, alleinerziehende Mutter mit ihrer Steuerklasse I die klassische Elternarbeitsteilung und das Ehegattensplitting mit. Und wer die Internet-Kommentarforen zu Artikeln wie Frauenquote und Gleichberechtigung anschaut, sieht den dumpfen Shitstorm gescheiterter Männer, die in der virtuellen Parallelwelt dem alten Rollenbild nachtrauern und in Selbstmitleid ertrinken, anstatt ein neues Bild zu prägen und ein moderner Partner und Vater zu werden. UTE B., Bönen

Neoliberaler Abnickverein

■ betr.: „Merkel bleibt auf Modernisierungskunst“, taz vom 16. 12. 13

So „zu kurz Gesprungenes“ will ich von der Chefin der taz nicht lesen. Natürlich darf sich jeder mit den neuen alten „Volksvertretern“ auseinandersetzen, doch ist das zu viel der Ehre. Das Ganze ist/wird ein neoliberaler Abnickverein – und sonst gar nix! Das ganze Gedöns dient ausschließlich dazu, die anstehenden, wirklich üblen „Entscheidungen“ ohne ernsthafte Opposition durchzuwinken. Die größten Brocken, die mir gerade einfallen, sind die „Bankenrettung“ und das „Freihandelsabkommen“ mit den USA. Ein Aspekt, der im Kommentar gar nicht vorkommt: Bei der ganzen Geschichte geht es nie um das Wohl des Volkes, neuerdings nicht mal mehr um das Wohl der Partei, sondern ausschließlich um die eigenen Pfründen. Dass dabei die Partei auf der Strecke bleibt, interessiert Gabriel und Nahles einen feuchten Kehricht. Die SPD hat die Rolle der FDP übernommen und wird ganz genau den gleichen Weg gehen.

Und komm mir niemand mit dem, was im Koalitionsvertrag steht. Das ist nur für die Galerie, was nachher wirklich gemacht wird, dafür sind die unzähligen Lobbyisten zuständig und sonst niemand. Aufgabe der Politiker ist es, dieses Tun so weit zu verschleiern, dass der durchschnittlich gebildete Mensch nicht sofort erkennt, wie er hinters Licht geführt wird. Nähe zur Macht (und zu Frau Merkel) ist immer gefährlich, vielleicht hilft ab und an mehr Selbstkritik. WOLFGANG O. SCHWARZ, Stuttgart