: „Ohne uns geht es nicht“
NORDRHEIN-WESTFALEN Die Linke im Landtag wird die Minderheitsregierung von Hannelore Kraft unterstützen, sagt ihr Chef Wolfgang Zimmermann
■ 60, Diplom-Sozialarbeiter, ist Landessprecher der Partei „Die Linke“ in NRW und neben Bärbel Beuermann Vorsitzender der Landtagsfraktion. Er war Gründungsmitglied der WASG.
INTERVIEW PASCAL BEUCKER
taz: Herr Zimmermann, wie bewerten Sie den plötzlichen Sinneswandel von Hannelore Kraft, nun doch eine rot-grüne Minderheitsregierung bilden zu wollen?
Wolfgang Zimmermann: Ich freue mich, dass Frau Kraft endlich zur Einsicht gekommen ist. Die schwarz-gelbe Regierung ist am 9. Mai abgewählt worden. Es wäre völlig unverständlich, wenn die SPD sie aus taktischen Gründen hätte weiter im Amt belassen wollen. Zum Glück hat sie der öffentliche und auch innerparteiliche Druck eines Besseren belehrt.
SPD und Grüne betonen, die Wahl von Kraft sei ganz ohne die Stimmen der Linken möglich. Werden Sie ihr den Gefallen tun, sie nicht zur Ministerpräsidentin zu wählen?
Diese Diskussion ist doch absurd. Wer meint, in einem möglichen vierten Wahlgang reiche ja die relative Mehrheit und deswegen käme es dann nicht mehr auf die Linke an, der beweist eklatante Mängel in der Beherrschung der Grundrechenarten. Ohne uns geht es nicht. Gegen unsere Stimmen wird Frau Kraft nicht zur Ministerpräsidentin gewählt werden.
SPD und Grüne gehen davon aus, dass Sie sich enthalten werden.
Was sollen solche irrationalen Abgrenzungsrituale? Wir haben immer gesagt, die schwarz-gelbe Regierung muss abgelöst werden. Deswegen werden wir natürlich nicht für einen CDU-Kandidaten stimmen. Ob wir aber nun für Frau Kraft stimmen oder uns bei der Wahl enthalten, haben wir noch nicht entschieden. Wir gehen davon aus, dass SPD und Grüne auf uns zukommen und mit uns Gespräche führen. Dann prüfen wir, ob es ihnen um einen wirklichen Politikwechsel geht – oder nur um einen Austausch von Personen. Davon werden wir unser Stimmverhalten abhängig machen.
Wenn die Gespräche für Sie nicht befriedigend ausfallen, würden Sie Kraft auch durchfallen lassen?
Wir gehen davon aus, dass SPD und Grüne geschlossen abstimmen werden. Sollte es Anzeichen geben, dass dem nicht so ist, werden sich alle drei Parteien intensiv vor der Wahl damit auseinandersetzen und eine Lösung finden müssen. Klar ist: Wir haben kein Interesse daran, dass es Frau Kraft so ergeht wie Andrea Ypsilanti in Hessen oder Heide Simonis in Schleswig-Holstein – dass sie also das Opfer von Heckenschützen aus den eigenen Reihen wird.
Wie wird sich die Linkspartei verhalten, wenn die rot-grüne Minderheitsregierung gewählt ist? Wird sie von Ihnen toleriert werden?
Nein, wir werden zunächst einmal unsere eigenen Parlamentsinitiativen einbringen – etwa zur sofortigen Abschaffung der Studiengebühren. Wir wollen ein Vergabegesetz zur Tariftreue für NRW, ein neues Ladenschlussgesetz, was sich an den Vorstellungen der Gewerkschaft Ver.di orientiert, ein Sozialticket für Nordrhein-Westfalen, einen Entschuldungsfonds für die Kommunen und nicht zuletzt, dass die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst wieder eingeführt wird.
Was erwarten Sie jetzt von SPD und Grünen?
Es gibt eine Reihe von Forderungen, die sich zumindest in ähnlicher Weise in den Wahlprogrammen von SPD, Grünen und Linker befinden. Wir erwarten, dass sie die umsetzen. Das gilt besonders für die von allen drei Parteien angestrebte Änderung der Schulstruktur.
Selbst wenn SPD und Grüne keine Gespräche mit Ihnen führen wollen, werden Sie also nicht in die Fundamentalopposition gehen?
Wir wollen, dass sich die Arbeits- und Lebensbedingungen für der Mehrheit der Menschen in diesem Land verbessern: für abhängig Beschäftigte, Erwerbslose, Schüler, Studierende und Rentner. Dafür sind wir angetreten. Allen Initiativen, die diesem Ziel dienen, werden wir zustimmen. Sozialabbau, Stellenabbau und Privatisierung öffentlichen Eigentums sind mit uns dagegen nicht zu machen: Da müsste sich Rot-Grün Unterstützung von anderen holen.
Würden Sie denn auch dem Haushalt zustimmen?
Das hängt davon ab, ob SPD und Grüne frühzeitig auf uns zukommen und mit uns über ihren Haushaltsentwurf reden. Wer etwas von uns will, kann mit uns sprechen. Wir verweigern uns keinen Gesprächen. Allerdings kann ich mir derzeit nur schwer vorstellen, dass er von uns mitgetragen werden kann. Denn auch im Landeshaushalt muss die Bereitschaft zu einem grundsätzlichen Politikwechsel erkennbar sein. SPD und Grüne haben über Jahre hinweg auch in Nordrhein-Westfalen Sozialabbau und Stellenabbau betrieben. Wenn sie diese Politik fortsetzen wollen, dann nicht mit uns. Aber Menschen und Parteien sind ja lernfähig. Jedenfalls sollten sie es sein.