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Archiv-Artikel

„Wieso soll es beim Geld nicht funktionieren?“

Die Hartz-IV-Gesetze zementieren das traditionelle Ernährermodell, meint Barbara Stiegler, die Genderexpertin der Friedrich-Ebert-Stiftung. Die Gesetze wurden im Vorfeld nicht auf ihre Wirkung auf Männer und Frauen überprüft

taz: Frau Stiegler, warum handeln Angestellte von Ämtern oft nicht geschlechtergerecht?

Barbara Stiegler: Weil die Leute in den Verwaltungen gar nicht nach Geschlecht differenzieren. Und es gibt auch kaum Analysen, die die Auswirkungen des Verwaltungshandelns auf die Geschlechterverhältnisse untersuchen. Aber Verwaltungshandeln hat unterschiedliche Folgen für Frauen und Männer in ihren jeweiligen Lebenssituationen.

Warum?

Wir haben, stärker als etwa in Skandinavien, Geschlechterverhältnisse, die sich durch Dualitäten, Polaritäten und Hierarchien auszeichnen. Soll heißen: Traditionell patriarchale Strukturen sorgen dafür, dass die Ungleichheit in Arbeit, Zeit und Geldverteilung zwischen den Geschlechtern aufrechterhalten bleibt und dass das, was als weiblich wahrgenommen wird, immer nachrangig ist.

Welche positiven Entwicklungen verspricht man sich in dieser Situation dann von Gender Mainstreaming?

Gender Mainstreaming ist eine Strategie, die, sofern sie ernst genommen wird, Innovationen in Verwaltungen und Organisationen bewirkt. Erstrebenswerte Ziele dabei sind, Ressourcen zwischen den Geschlechtergruppen gerechter zu verteilen und Strukturen und Mechanismen, die traditionelle Geschlechterverhältnisse aufrechterhalten, zu verändern.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Nehmen Sie die Hartz-IV-Gesetze. Die sind vorher nicht darauf überprüft worden, wie sie auf die Geschlechter wirken. Deshalb gibt es nun eine neue Zementierung des Ernährermodells in den Bedarfsgemeinschaften. Auch die Altersbegrenzungen im Kultur- und Wissenschaftsbetrieb wirken geschlechtsspezifisch. Frauen müssen ihre Karrieren nach dem männlichen Modell planen und auf die Verantwortung für Kinder verzichten, ansonsten scheitern sie an den Altersbegrenzungen. Natürlich würden Männer auch daran scheitern, wenn sie die Erziehung der Kinder übernähmen.

Welche negativen Entwicklungen können beim Gender Mainstreaming auftauchen?

Ein Schritt zurück ist es etwa, wenn mit dem Hinweis auf Gender Mainstreaming einer bestehenden Frauenförderung die Ressourcen entzogen werden. Damit werden verschiedene geschlechterpolitische Strategien gegeneinander ausgespielt.

Ist Geschlechtergerechtigkeit bei der Vergabe von Geldern überhaupt möglich?

Wieso sollte es gerade beim Geld nicht funktionieren? Aber es geht nicht nur um die gleichen Euro in Händen von Männern und Frauen. Zur gerechten Verteilung bedarf es einer Genderanalyse des jeweiligen Bereichs, in der die Ungerechtigkeiten formuliert werden: Ich halte etwa eine Bezahlung der heute existierenden Hausarbeit nicht für geschlechtergerecht, denn diese würde dem wünschenswerten Ziel, die Geschlechtergrenzen aufzulösen und eine gleiche Verteilung der Hausarbeit auf Männer und Frauen zu erreichen, überhaupt nicht entsprechen.

Brüssel fordert schon lange Gender Mainstreaming . Warum hat gerade Berlin beim geschlechtergerechten Umbau der Verwaltung die Nase vorn?

Weil es hier immer noch viele Frauen- und Männergruppen gibt, die sich einmischen und eine kritische Instanz darstellen.

INTERVIEW: WALTRAUD SCHWAB