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Archiv-Artikel

Alarm im Waldschluchtpfad

FEHLALARM In einem Gatower Flüchtlingsheim werden immer wieder die Brandmelder betätigt. Nur gebrannt hat es bisher nie. Die Feuerwehr kommt trotzdem jedes Mal

„Die häufigen Fehleinsätze demotivieren uns nicht“

FEUERWEHRSPRECHER STEPHAN FLEISCHER

VON PLUTONIA PLARRE

Das Ärgernis misst acht mal acht Zentimeter. Der Rahmen ist rot, die Öffnung von einer dünnen quadratischen Glasscheibe geschützt. Dahinter ein schwarzer Knopf. „Scheibe einschlagen. Knopf tief drücken“, lautet die Inschrift. Ein Brandmelder.

Jeder kennt sie. Gebäude, in denen es viele Menschen gibt, sind damit ausgestattet – Schulen, Krankenhäuser, Hotels. Im von der AWO betriebenen neuen Flüchtlingsheim in Gatow hängen Dutzende. Aber anders als anderswo schlagen die Dinger dort ständig Alarm. An die 30-mal ist die Feuerwehr seit Anfang Oktober schon in den Waldschluchtpfad ausgerückt. An manchen Tagen wiederholt. Jedes Mal stellte sich heraus: Fehlalarm.

Witzig finden die Feuerwehrleute das nicht. Jedes Mal raus, manchmal nachts, im Wissen, dass es im Waldschluchtpfad ziemlich sicher nicht brennt. Aber das verlautet nur hinter vorgehaltener Hand. „Nein, die häufigen Fehleinsätze demotivieren uns nicht“, sagt Stephan Fleischer, Sprecher der Feuerwehr. Problematisch sei aber, dass die Einsatzkräfte in der Zeit nicht für echte Notfalle zur Verfügung stünden.

2.758 Fehleinsätze

360.215 Einsätze hatte die Feuerwehr 2012 berlinweit. Davon waren 2.758 Fehleinsätze wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen oder technischer Defekte. Fehlalarme gibt es also immer wieder. Aber eine Häufung wie im Waldschluchtpfad ist ungewöhnlich.

Druckknopf-Brandmelder sind direkt mit der Feuerwehrleitstelle verbunden. Sobald die Meldung einläuft, wird ein aus mindestens vier Fahrzeugen bestehender Löschzug losgeschickt. Begleitet wird dieser von der Polizei – großes Geschirr also.

Besuch im Waldschluchtpfad. Früher befand sich auf dem unter Kiefern an der Havel gelegenen Gelände eine Pflegeeinrichtung von Vivantes. Seit Anfang Oktober betreibt die AWO in den lang gestreckten Gebäuden eine Erstaufnahme für Flüchtlinge. 460 Plätze sind derzeit belegt. Roma aus Bosnien und Serbien machen 50 Prozent aus, 25 Prozent der Bewohner kommen aus dem arabischen Raum. Auch Flüchtlinge aus Afghanistan und Tschetschenien leben hier.

„Die Mehrzahl sind Großfamilien“, sagt Heimleiter Piotr Skrzedziejewski. „Vier bis fünf Kinder sind keine Seltenheit.“ Die Familien bleiben maximal drei Monate, manche nur drei Nächte. Für die Kinder gebe es Betreuung, „wir bemühen uns wirklich“, so Skrzedziejewski. Ein Blick in die Räume gibt ihm recht: Es wird gespielt und gebastelt.

Trotzdem: Die Tage sind lang, und das Herumtoben auf den Fluren wird irgendwann langweilig. Und so passiert es immer wieder, dass die Aufforderung auf den Brandmeldern von Kindern wörtlich genommen wird. Dann verfolgen die Kinder das Spektakel vom Fenster aus: Mit eingeschaltetem Blaulicht und Martinshorn, das schon von Weitem zu hören ist, rasen die Löschfahrzeuge auf den Hof, die Polizeiautos im Schlepptau. „Das ist für sie ein Ereignis, das sie aus ihren Ländern nicht kennen“, sagt der Heimleiter. Einmal habe die Feuerwehr nach einem Fehlalarm alle Bewohner des betroffenen Hauses zu einer Brandschutzübung im Freien antreten lassen. Quasi als erzieherische Maßnahme.

Die Sozialarbeiter warnten die Kinder und die aufsichtspflichtigen Eltern regelmäßig vor einem Missbrauch der Brandmelder, sagt Piotr Skrzedziejewski. Nachhaltig gefruchtet hat das noch nicht. Die große Fluktuation im Heim konterkariere die Bemühungen. Deshalb hat Skrzedziejewski eine Lösung ersonnen. Beim Knopfdruck wird zunächst der Pförtner alarmiert. Der prüft den Fall. Brennt es wirklich, drückt er auf einen Extraknopf, der direkt zur Feuerwehr führt. Die technischen Voraussetzungen dafür sind bereits geschaffen. Am Montag wird ein Brandschutzexperte das entsprechende Konzept für die Bauaufsicht schreiben.

Ein Feuerwehrmann, der namentlich nicht genannt werden will, weiß nicht, obdas genehmigt wird: „Bislang hieß es, bei einem Wohnobjekt dieser Größe müsse ein direkter Draht zwischen Brandmeldern und Feuerwehr bestehen.“