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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Von der Fußball-WM lernen heißt, die schwarz-rot-goldene Fahne bei der nächsten Antirassismus-Demo zu schwenken. Oder gegen Atomkraft und Polizeistaat? Nationalisten würden dann wohl irgendwann kotzen – und fahnenflüchtig

Von SR
Zur nächsten Fußball-WM in Deutschland rechne ich mit einem Dutzend fest installierter Beckenbauer in den Stadien und einigen tausend Franz an jedem Tchibo-Shop

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Wade Ballack.

Was wird besser in dieser?

Knie Metzelder.

Deutschland schwelgt in Schwarz-Rot-Gold, aber ohne krachenden Nationalismus. Alle sind glücklich und entspannt und reden darüber, wie toll alles ist. Wie kommt das?

Drollig. Aber mal geträumt: Was wäre, wenn Linke das irritierende Tuch bei der nächsten Demo gegen Rassismus schwenkten („Odonkor für Deutschland“)? Oder gegen Atomkraft und Polizeistaat ? Sozusagen als textilen Grundrechtekatalog ? In diesem Traum würden Nationalisten irgendwann kotzen. Und fahnenflüchtig. Naja, nur geträumt, sorry.

Gibt es da wirklich gar kein Haar in der Suppe?

Beim herkömmlichen Karneval wird, etwa im kölnischen, der zentrale Fetisch am Aschermittwoch symbolisch verbrannt. Dieser Akt ritueller Selbstreinigung steht aus und wird – je besser die Mannschaft abschneidet, desto mehr – fehlen.

Warum spielt die deutsche Elf plötzlich so gut? Fanden wir sie vorher schlechter, als sie war? Oder ist das ein wundersamer Akt Klinsmann’scher Autosuggestion: Wir sagen einfach so lange, dass wir es schaffen können, bis es wirklich so ist?

Ohne die vermessene Ansage, Weltmeister werden zu wollen, kann man diesen Teamchef-Job nicht annehmen. Deshalb war der Bewerberkreis ja auch eher überschaubar. Und sicher ist es leichter, angenehm aufzufallen, wenn die Erwartungen von schwer erkämpften Punkten gegen die Färöer geprägt sind. Klinsmanns Gute-Laune-Rigorismus ähnelt dabei der Zwangsgelassenheit eines Otmar Hitzfeld, der die andere gute Wahl gewesen wäre und nach dem Turnier sein wird. Wichtig : Mit der haarsträubenden Wohnsitzdebatte hat Klinsmann der Großinquisition Bild getrotzt, muss zur Belohnung nicht Matthäus einwechseln und kann jetzt vieles so machen, wie es Berti Vogts vor Jahren schon vorgelegt hat.

Oder hat Klinsmann bislang einfach alles richtig gemacht und genau die Spieler mitgenommen, wie Odonkor und Neuville, die die Mannschaft braucht?

Irgendwann glauben Stürmer selbst nicht mehr, dass das Ding noch reingeht. Dann muss der Trainer wechseln, der Zeitpunkt war im Polen-Spiel erreicht. Nicht dass es statt Oli und David auch Tünnes und Schäl hätten sein dürfen, aber hier hat vor allem Klinsmann einfach nichts falsch gemacht.

Wie machen ARD und ZDF ihren WM-Job? Wer ist gut, wer nervt?

Willste gelten, mach dich selten : Die einzige Chance, den Leuten die schlauen Analysen von Netzer auszutreiben, ist, ihn permanent zu zeigen. Die ZDF-Umsetzung aus der großen Halle des Volkes ist einem Großereignis angemessener als die sterile virtuelle Optik bei der ARD.

Wäre möglicherweise ein Tag ohne Franz-Beckenbauer-Interview im TV denkbar?

Ich weiß nicht, ob ich in meiner Lebensspanne eine weitere WM in Deutschland erleben werde; dauert es nur weitere 32 Jahre, bin ich dann hoch in den Siebzigern. Dann rechne ich mit einem Dutzend fest installierter Beckenbauer in den Stadien und, technischer Fortschritt, einigen hunderttausend Franz an jedem Tchibo-Shop. Schon früher erwarte ich, dass die Regulierungsbehörde für das Fernmeldewesen ersetzt wird durch eine unbürokratische Prüfung, ob Beckenbauer Werbung für ein Produkt gemacht hat, womit es automatisch zugelassen wird.

Mal was Unerfreuliches. Die Bundesliga soll demnächst offenbar T-Com-Liga heißen. Wann ist der Punkt von Kommerzialisierung erreicht, an dem die Fans streiken sollten?

Klar, es gab den erfolgreichen Protest gegen die Fernseh- und damit letztlich werbebestimmten idiotischen Anfangszeiten der Ligaspiele. Hingegen ging selbst die Verspottung des Westfalenstadions beim Publikum durch. Die Medien, vorneweg die öffentlich-rechtlichen, können sich einer Debatte über widerspruchslose Hinnahme von Sprachregelungen nicht mehr verschließen. Bestünde die CDU drauf, nur noch als „Partei, die am nächsten Sonntag zu wählen ist“, apostrophiert zu werden, würde das abgewehrt.

Noch eine fußballfreie Frage: Bis in die Union hinein wird derzeit über die Abschaffung des Ehegattensplittings debattiert. Hat sich die Union schon so weit modernisiert, dass sie dazu ja sagen kann?

Die Verfassung schützt die Familie, nicht die Ehe. Deshalb ist das Familiensplitting – letztlich die Feinjustierung, damit der Steuervorteil bei den Erziehenden ankommt – im wohlverstandenen Sinne des Grundgesetzes. Hinter den Vorbehalten der Union wie denen des sozialdemokratischen Finanzministers verbirgt sich auch, dass Gerechtigkeit für die Kinder Nichtverheirateter teurer wird. FRAGEN: SR