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Archiv-Artikel

Verstörendes Aufstampfen

TANZTHEATER Symbolik statt Genauigkeit: Das erste Aufeinandertreffen der Berliner Kompanie Toula Limnaios mit vier Tänzern des senegalesischen Tanzensembles Jant-Bi überzeugt nicht wirklich

Das Bewegungsvokabular ebnet jegliche individuelle Regung der Tänzer ein

Ein wenig den Sommerabend vor der Tür genießen, dann geht es los: Fast alle Besucher der Halle, die die dort ansässige Kompagnie von Toula Limnaios schon lange kennen, sind gespannt auf die Früchte ihrer Zusammenarbeit mit Tänzerinnen und Tänzern des Ensembles Jant-Bi aus dem Senegal. Mit „à contre corps“ bezeichnet die Choreografin griechischer Abstammung, was während eines Aufenthalts an der senegalesischen Ecole des Sables, einem einzigartigen Ausbildungszentrum für traditionellen und zeitgenössischen afrikanischen Tanz und Heimstatt von Jant-Bi, begann und in weiteren zwei Monaten in Berlin zusammengefügt wurde.

Steine säumen den leuchtenden Parkettboden des Bühnenraums, eine Skulptur aus Plastikflaschen ragt in eine Ecke, von der Decke hängen Ansammlungen roter Fäden – den sorgfältig vorbereiteten Tanzplatz betreten fünf helle und vier dunkle Fußpaare gemeinsam. Zwischen Sonnenuntergang und einsetzender Dunkelheit verstreicht die Aufführung, das Licht von draußen wirkt in den Bühnenraum hinein.Unterschiedliche Hautfarben, wehende und kräftige Haare, luftige und zu Boden strebende Bewegungen kommen sich in die Quere.

Diesem Geschehen schafft Lichtdesigner Jan Langebartels sehr achtsam wechselnde Atmosphären. Gleißende Helligkeit unterstreicht bis ins Detail choreografierte Gruppensequenzen, in Spots können Soli entdeckt werden, die für einen Moment innehalten.

Ein wildes Treiben gleichzeitiger Duette, Unisoni und Solo-Verausgabungen bestimmt den Verlauf dieses Abends. Die Choreografie reiht Bilder aneinander, entbehrt dabei aber einer nachvollziehbaren Dramaturgie. Das Bewegungsvokabular selbst ebnet jegliche individuelle Regung der Tänzer ein. Welchem Kontext eine Bewegung entstammt, welche Veränderungen sie erfahren und welchen Lernprozess sie vielleicht angestoßen hat, bleibt verborgen. Sollen wir ernsthaft annehmen, es handele sich um „afrikanischen“ Tanz, wenn alle aufstampfen?

Dass in weiße Röckchen gewandete Tänzerinnen heller Hautfarbe ätherisch durch den Raum wirbeln und dann von schwarz gekleideten schwarzen Tänzern getragen werden, stimmt eher nachdenklich. Dass deren ebenfalls schwarz angezogene Kolleginnen vor allem ihre Tanztheater-Fitness zu beweisen scheinen müssen, wirkt beschämend.

Am Ende strecken sich die geschwärzten Glieder von Ute Pliestermann und die schwach geweißten von Elhadi Ibrahima Ndoye Ndiaye schwülstig einander entgegen und symbolisch aufgeladen mischen sich die aufgemalten Hautfarben in Reibung und in Schweiß.

Die Dauerbeschallung von Ralf Ollertz, dem Haus-Komponisten von Toula Limnaios, setzt den eitlen Umgang mit den Ressourcen Anderer akustisch fort: kaum eine Trommel oder Stimme, obwohl mit senegalesischen Musikern aufgenommen, erklingt ohne zusätzliche Effekte.

Obwohl es ein Allgemeinplatz ist: Weder ist Musik noch Tanz eine Weltsprache, die jeder Mensch versteht. Sich der Andersheit bewusst zu werden, ist ein entscheidender Schritt in der Begegnung zwischen den Tanzkulturen, der hier aber gleich zu routiniert verwischt wird.

Gelernt haben die Tanzenden bestimmt voneinander. Nur sichtbar wird der laut Programm „verstörend-faszinierende Balanceakt zwischen Fremdheit und Nähe“ nicht. FRANZISKA BUHRE

■ Weitere Aufführungen: 24.– 27. Juni, Halle Tanzbühne