: Illegale zu gläsernen Schülern
Neue zentrale Schülerdatei erfasst auch den Aufenthaltsstatus der Kinder. Ausländerbehörde hat darauf Zugriff. GAL befürchtet, dass dies illegal hier lebende Kinder vom Schulbesuch abschreckt
von KAIJA KUTTER
Durch die ab Herbst neu eingeführte zentrale Schülerdatei droht Hamburgs Bildungsbehörde zum verlängerten Arm der Ausländerbehörde zu werden. Wie Behördensprecher Alexander Luckow gestern bestätigte, sind die rund 430 Hamburger Schulen gehalten, die Meldeadresse, die Staatsangehörigkeit und auch den „aufenthaltsrechtlichen Status“ ihrer Schüler in eine zentrale Datei einzupflegen, auf die „auch andere Behörden Zugriff haben“. Auf die Frage, ob dazu auch die Ausländerbehörde zählt, antwortet Luckow mit „ja“.
„An der rechtlichen Lage“, so betont er, ändere sich nichts. „Auch bisher waren die Schulen verpflichtet, den Meldestatus von Schülern und Ungeklärtheiten ans Haus zu melden.“
Nur handelte es sich bisher um ein technisch anderes Verfahren, das Schlupflöcher ließ. Die Schulsekretariate führten lediglich Karteien in Papierform für die rund 220.000 Schüler, auf die keine andere Behörde per Knopfdruck Zugang hatte. Davon profitierte beispielsweise die 13-jährige Yesim, die trotz ihres illegalen Status eine ganz normale Schullaufbahn einschlagen konnte. Wie Luckow erklärte, als ihr Fall im April bekannt wurde, hatte das Sekretariat der Ganztagsschule St. Pauli für Yesim eine Meldebestätigung angefordert und nie erhalten. Diese Kontrolllücken würden mit der Zentraldatei geschlossen.
Für die migrationspolitische Sprecherin der GAL, Antje Möller, hatte diese Lücke etwas Gutes: „Die Schulen konnten bisher individuelle Wege finden, um Kindern mit illegalen Status den Schulbesuch zu ermöglichen.“ Dies sei wichtig, weil laut UN-Kinderrechtskonvention auch Kinder ohne legalen Status ein Recht auf Bildung hätten. Laut Möller ist es in anderen Bundesländern nicht üblich, dass die Kultusministerien die „Meldedaten zentral erfassen und an die Ausländerbehörden weitergeben“. Sie befürchtet, dass die Hamburger Linie Familien mit illegalen Status abschreckt, ihre Kinder anzumelden. „Die bleiben dann schlicht zu Hause. Für die Kinder ist das fatal.“
Begründet wurde die Schülerdatei mit dem Fall der verhungerten Jessica. Mit Hilfe des Registers, so erklärte der Senat im vorigen August, könnten Fälle, in denen Kinder nicht rechtzeitig zur Schule angemeldet werden, aufgeklärt werden. „Als die Diskussion begann, haben wir gedacht, was soll daran schon sein“, erinnert sich Detlef Malessa vom Büro des Datenschutzbeauftragten. Weil es aber „immer mehr Begehrlichkeiten gab, auch von der Ausländerbehörde“, sei das Schülerregister zu einer „umfangreichen Datei“ angewachsen. Der Datenschutzbeauftragte hat der Verordnung zugestimmt, will nun aber noch die „technische Fragen“ klären.
„Wir brauchen diese Datei nicht, um Fälle wie Jessica zu verhindern“, sagt die GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch. Schließlich hätten die Behörden von ihrer Existenz gewusst, es sei nur keiner hingegangen, als sie nicht zur Schule kam. Auch in Lehrerkreisen hält man den Fall Jessica für vorgeschoben. So spricht sich die Lehrerkammer in einer Stellungnahme dagegen aus, die Staatsangehörigkeit der Schüler zu speichern und über einen „automatisierten Abruf den Polizeivollzugsdiensten zu übermitteln“. Schließlich habe auch die Bildungsbehörde die Verantwortung, illegal hier lebenden Kindern einen „diskriminierungsfreien Zugang zur Bildung“ zu gewährleisten.
Der Fall Yesim ging bekanntlich gut aus: In der vergangenen Woche entschied die Ausländerbehörde nach massivem öffentlichen Druck und einer Empfehlung der Härtefallkommission, dass das Mädchen bleiben darf. In Lehrerkreisen befürchtet man, dass es noch eine ganze Reihe solcher Kinder gibt, die nicht alle einen „so hohen Sympathiefaktor“ wie Yesim haben und deshalb nicht so positiv enden. Darauf angesprochen sagt Behördensprecher Luckow: „Was positiv ist, ist eine Frage der Bewertung.“