In Dänemark ist Elterngeld üppig, aber umstritten
: Ronja in der Wiegenstube

taz-Serie: Elternzeiten anderswo. Teil VI: Dänemark. Deutschland führt 2007 das Elterngeld ein. Die taz beschreibt Familienpolitik weltweit. Bisher: Finnland, Russland, Island, Japan

„Nur die Deutschen stellen immer diese Fragen.“ Anna arbeitet in der Ferienhausvermietung an der dänischen Nordseeküste. Manchmal kommt sie im Gespräch mit den Gästen auf das Thema Kinder. Wenn dann die deutschen Gäste hören, dass Anna Vollzeit arbeitet, obwohl sie eine acht Monate alte Tochter hat, fragen sie: „Ach, so schnell geben Sie das Kind weg? Und wo haben Sie es untergebracht?“ Anna schüttelt den Kopf: „Warum meint man in Deutschland, man ‚gebe ein Kind weg‘, wenn es doch in der Vuggestue ist?“

„Vuggestue“ ist die „Wiegenstube“ für Kinder von sechs Monaten bis zu drei Jahren. Jeden Werktag um halb acht bringt Anna ihre Tochter Ronja dort vorbei. Papa Per holt sie auf dem Nachhauseweg ab. In der Vuggestue kümmert sich eine Tagesmutter um drei, vier Kinder. Diese gut organisierte Wiegenstube ist sicher ein Grund dafür, dass 79 Prozent der Däninnen und 90 Prozent der Mütter von Kleinkindern arbeiten gehen.

Arbeit oder Kind? Vor diese Entscheidung sahen sich weder Anna noch Per je gestellt. Sie können sich darauf verlassen, dass sie der Staat auch in der Grundschule nicht im Stich lässt. Vor und nach dem Unterricht haben die „Fritidshjem“ geöffnet. Freizeitheime, in denen es Frühstück gibt und Mittagessen, Hausaufgabenbetreuung und Freizeitangebote. Es ist sicher auch diese Sicherheit, die eine Geburtenrate von 1,78 Kindern erklärt.

Zwölf Monate Elternurlaub stehen den Eltern zu. 32 der 52 Wochen können sich Vater und Mutter teilen. 18 Wochen sind für die Mutter reserviert, 2 Wochen gibt es speziell für die Väter, vor fünf Jahren waren es noch 4. Die Sozialdemokraten hatten die Papa-Zeit sogar auf 3 Monate aufstocken wollen. Doch seit die rechtsliberal-konservative Koalition regiert, wurden die Väterwochen stattdessen halbiert.

Während des Elternurlaubs zahlt der Staat 90 Prozent des letzten Bruttoeinkommens Elterngeld, für die ersten sechs Monate gibt es neuerdings sogar 100 Prozent. Einige Firmen zahlen in der Elternzeit zusätzlich die Rentenbeiträge weiter.

Unumstritten ist das Elterngeld nicht. Ein ideologischer Graben zieht sich durch die Politik. „Staatliche Bevormundung“ abbauen heißt die Strategie der Regierung. „Wir dürfen die Chance auf mehr Gleichberechtigung nicht opfern“, protestiert die Linksopposition. Die Zahlen zeigen, dass es bis zur Gleichberechtigung noch ein weiter Weg ist: Väter nehmen gerade einmal 6,1 Prozent der Elternzeit. REINHARD WOLFF