: Normal rüberkommen
ASH Anfang der Nullerjahre waren sie ganz groß. Heute kennen Fans von den Foals und Maximo Park die Band nicht mehr: Ash sind in der Krise, ohne Plattenvertrag, haben aber das Potenzial, wiederzukommen. Vorgestern spielten sie im Magnet Club ihren Punkrock
Sie spielten „Shining Light“, sie spielten „Oh Yeah“ und zum Glück auch „Girl From Mars“. Die Frage stellte sich, warum die mittlerweile siebzehn Jahre alte Band Ash nie zu den ganz Großen gehörte, nie den Erfolg von Bands wie Weezer, Green Day oder The Offspring hatten, obwohl sie ähnliche Musik machten und keineswegs schlechtere. Vielleicht lag es an ihrer Herkunft, Ash kommen nämlich aus dem beschaulichen Irland, und da wird man nur was, wenn man das Katholisch-Pathetische der grünen Insel irgendwie in die Welt transportiert.
Eher wahrscheinlich spielt aber das Sympathische dieser Band Ash die entscheidende Rolle. Tim Wheeler und seine Mitstreiter und Mitstreiterinnen (die fantastische Charlotte Hatherley begann mal hier als zweite Gitarristin) verzichten weitestgehend auf irgendwelche schwiemeligen Posen; sie spielen schnellen Rock, vulgo Punkrock, wie er übrigens auch John Peel gefiel, tragen aber weder Lederjacken noch künstliche Sicherheitsnadeln und ziehen auch keine Fratzen, die sie beim Rundgang in der Nervenheilanstalt gelernt haben. Ash kommen einfach nur normal rüber.
Nette, schlaue Jungs
Sie sind nette, schlaue Jungs, die ihre Instrumente beherrschen und ein Händchen für Songideen, Hooklines, perfekte Melodien und brillanten Spielaufbau haben. Bei all dem Krach, den sie ansonsten machen.
Ganz aufs Tempo setzte das Quartett auch am Montagabend im gut besuchten Magnet Club. Balladen scheinen Ash einfach nicht im Repertoire zu haben, und das heißt keinesfalls, dass sie einfallslos und variationsarm spielen würden. Sie brauchten eine Zeit, um sich zu entfalten, spätestens mit „Patchwork“ begann aber eine Reihe von einschlagenden Hits, großartiger Hymnen, Teenage Fanclub in schnell und nur selten stadiongrölig. Wheeler und Schlagzeuger Rick McMurray sangen gegen die Soundprobleme an, Mark Hamilton am Bass fand sich vielleicht eine Spur zu großartig, rechtfertigte das aber mit sehr druckvollem Spiel.
Ergänzt wurde das Trio von Russell Lissack, hauptberuflich Gitarrist bei der zur Zeit pausierenden Band Bloc Party. Lissack, mit Gardinenfrisur und im Auftritt eher schüchtern, spielte seine Parts und gelegentlichen Keyboardeinsätze, als ob er schon immer mitgespielt hätte. Und vielleicht ist er wie damals Hatherley ein guter Schlüssel, ein Move zurück zum Erfolg.
Das ist Pathos-Pop
Denn Ash haben mit „Free All Angels“ von 2001 ihre besten Zeiten vielleicht schon gesehen. Zwei Indizien: Das Publikum wird auch nicht jünger, Konsumenten, die ansonsten das Werk der Foals oder Maximo Park schätzen, lassen sich bei Ash aus reiner Ahnungslosigkeit nicht blicken. Zweitens: Die Band steht ohne Plattenvertrag da. Also gab es einen Haufen „Singles“ als Downloads, die jetzt endlich zu einer Kompilation namens „A–Z Vol. 1“ zusammengefasst wurden. In großer Chartsferne. Aber vielleicht muss eine Band solche Umwege nur erfolgreich gehen, um wieder aufgenommen zu werden in happy Indieland. Gelungene Beispiele hat es genug gegeben.
Und wie geht das, in zunehmendem Alter immer noch auf gleichem Niveau mit demselben Tempo zu spielen? Wheeler ist erst 33, es geht also noch. Seine anklingenden Lebenskrisen verarbeitet er in seltsamen Pathospopstücken, die via Rückgriff auf Disco und die 80er wieder im Zeitgemäßen ankommen. „End of the World“ und „Twilight of the Innocents“ beispielsweise. „Jesus Says“ vom ambitionierten, damals aber relativ untergegangenen Album „Nu-Clear Sounds“ spielten sie nicht. RENÉ HAMANN