Prophetie vom Dach - Teil 7

... nur noch wenige mit kultivierter Küche. Also her mit den Kindertellern.“ Also sprach der Experte fürs Kulinarische und verschwindet wieder durch die Eisentür und lässt uns ratlos auf dem Rasen mit Rilke. Zu essen haben wir immer noch nichts. Aber wer denkt schon ans Essen, wenn es ums Denken geht. Und da denken mit spielen zu tun hat, denken wir jetzt: Ein Spiel! Wir legen den Rilke beiseite, denn der Mann fürs Spielerische betritt den Rasen. Und wirft uns einen Ball zu. Natürlich wollen alle spielen, wenn ihnen ein Ball zugeworfen wird. Die meisten Männer in der Redaktion da unten versuchen dann, einen Fuß an den Ball zu bekommen, auch wenn sie vielleicht gar nicht so gut Fußball spielen können. Dass das winzige Rasengeviert auf der Dachterrasse eigentlich zu klein für ein gepflegtes Spiel auf zwei Tore ist – egal. Und wenn der Ball über den Zaun geht und ganz unten dann die Windschutzscheibe eines vorbeifahrenden Autos durchschlägt, wird schon keiner einen taz-Redakteur beschuldigen, sondern eher mit dem Finger auf die billigen Wohnungen gegenüber zeigen, wo genügend Migrantenbengel wohnen, denen man ja für gewöhnlich alles Ungute zutraut. Während unten von irgendwem irgendwer beschuldigt wird, redet oben die verspielte Männerrunde über unseren Türken und fragt sich, ob der Özil bei den Engländern endlich so viel gelernt hat, dass er der Weltmeisterschaft seinen Stempel aufdrücken kann. Auch Frauen des Hauses reden jetzt mit: „Ich interessiere mich ja eigentlich nicht für Fußball, aber wenn WM ist …“ Schön wird das, wenn der erste Ball gespielt ist in Brasilien. Endlich dürfen wir über die WM-Chancen des neuen belgischen Wunderteams reden, darüber, wie viele deutsche Trainer irgendwelche Nationalteams zur WM geführt haben, und uns fragen, warum Uruguay schon wieder so weit kommt. In diesem Sommer müssen wir nicht jedem Satz über ein von der Fifa organisiertes Event eine Portion Mitgefühl für all die Sklaven beifügen, die eine derartige WM erst ermöglichen. Und wenn die deutschen die WM doch nicht gewinnen sollten, dann haben wir den Brasilianern wenigstens ein neues Urlaubsdomizil geschenkt. Oder behält der DFB das speziell für ihn entwickelte Teamcamp und wird dort auch während der WM 2018 Quartier nehmen, um von dort aus zu den Spielen in Russland zu fliegen? Dort ist das Böse weiterhin so böse, dass sich jeder Regent, und sei er selbst ein mieser Typ, ein paar Moralpunkte holen kann, wenn er mit dem Finger auf Russland zeigt. Der kalte Sportkrieg tobt auch nach den Spielen von Sotschi weiter. Hauptsache, die Sportler halten die Klappe. Sie sollen die Letzten sein, die glauben sollen, dass Sport nichts mit Politik zu tun hat. Freuen wir uns also auf eine Medaille von Claudia Pechstein und auf ihre große Lebensbeichte am Ende des Jahres bei Beckmann: „Was ich alles genommen habe.“ Oder doch eher: „Warum ich so toll bin und warum es mich nicht wundert, dass mich keiner mag.“ Das Problem kennt auch der FC Bayern, der die Spielergehälter weiterhin so gestalten will, dass sich ein französischer Weltfußballer mit ...