: Halbzeit
UND, WIE WAR‘S? Das WM-Team der taz zieht eine erste Bilanz – über die Spiele, die Südafrikaner und alles drum Herum
Tuten und Schreien: Man geht nicht der Ruhe wegen ins Stadion. Tuten und Schreien. Es ist ein akustisches Chaos. Und all diese Spinner mit komischen Hüten und angeschmierten Gesichtern! Hat sich Gott den Menschen so vorgestellt? ANDREAS RÜTTENAUER
Schwarz & Weiß: Schwarze und Weiße sind stolz auf das Gleiche: Die Welt ist zu Besuch bei ihnen in Südafrika. Wolkenkratzer in Downtown wechseln Leuchtreklame je nach dem Erfolg der Torjäger, Weiße feiern Fußballpartys in Soweto, und Schwarze grölen im Fanpark im weißen Sandton. MARTINA SCHWIKOWSKI
Der Ball-Torwart-Komplex: Die Kurven des Balles, der harte Rasen und die dünne Luft sind nur ein Teil der Wahrheit über die grotesken Torwartfehler. Es spielen zu viele Teams mit, die schwach besetzt sind auf dieser Position. Die Lehre dieser WM: „Defense wins games, goalies win championships.“ DANIEL THEWELEIT
Schöne Bilder: Schöne Kicks waren es auch. Die Höhepunkte aber waren die Bilder aus Südafrika selbst. Die südafrikanische Normalität gesehen zu haben ließ es gar verschmerzlich scheinen, dass uns einige Zebras untergeschummelt wurden, so von wegen: Gehen Sie doch mal auf Safari. Nix da! Wir fahren da hin, ans Kap, direkt zu den Pinguinen nach Boulder’s Beach. Südafrika törnt an! JAN FEDDERSEN
Afrika, Afrika: Plötzlich ist Afrika so bunt, dass einem schwindlig wird. Plötzlich tun sogar Afrikaner so, als sei Afrika ein einziges großes Land. Plötzlich denkt die Welt, eine WM in Afrika sei für alle Afrikaner ein Heimspiel. Wenn sie auch gut spielen würden statt nur gut tröten, dann hätte die Welt die Afrikaner plötzlich lieb. DOMINIC JOHNSON
Jetzt geht’s los! Die WM-Vorrunde ist vorbei, und jetzt lohnt es sich wirklich, zuzugucken. In jedem Spiel geht es um etwas. Und endlich gibt es eine Torgarantie: Beim Elfmeterschießen! LALON SANDER
Neoliberal: Wie ungerecht: Alle 32 Teams haben sich darauf gefreut, und schon nach drei Spielen muss die Hälfte wieder abreisen, bis nur eine Mannschaft übrig ist – typische neoliberale Auslese. Allen den Pokal zu geben wäre ein Ausdruck von Völkerfreundschaft. DENIZ YÜCEL
Sommermärchen 2011: Was, schon fast wieder vorbei der ganze Rummel? Gut, dass wir nicht lang warten müssen auf ein neues Sommermärchen: 2011 ist Frauenfußball-WM in Deutschland. Wer will das schon sehen? Ich! Und die taz ist ganz bestimmt wieder mit Sonderseiten an erster Reporterinnenfront. LENA KAMPF
Revolution: Dass Engländer keine Revolutionen können – geschenkt. Aber Frankreich? Liebe Franzosen, im Namen von Robespierre und Rousseau, da haben wir mehr erwartet. CONSTANTIN WISSMANN
Post-Mandela: Die WM hat weißen Südafrikanern die Gelegenheit gegeben, sich etwas anzueigenen, was bisher als „typisch schwarz“ galt. Post-Mandela gibt es wenig „Schwarzsüdafrikanisches“, was von weißen Südafrikanern gelobt würde. Die gute Leistung von Bafana war wichtig für den Heilungsprozess dieses Landes. In einem Restaurant in Kapstadt mit fast nur weißem Publikum sangen die Gäste nach dem Bafana-Spiel gegen Frankreich: „Bafana – we could not be prouder.“ ELENA BEIS
Zwei Stunden: Da kommt es sogar vor, dass ich die taz mal für zwei Stunden ganz vergesse. INES POHL
Von wegen ’tschland: Wo sind sie die begeisterten Massen? Wo bleibt das Sommermärchen, Teil II? Das WM-Fieber ist bisher gerade mal bei leicht erhöhter Temperatur angekommen. Deutschland scheint verstört: ohne Sommer, ohne Geld, ohne Präsident. Und ein Jogi ist eben kein Klinsi – der hätte den fehlenden Präsidenten locker wettgemacht. FRAUKE BÖGER
Gastgeberpleite: Da ist etwas schiefgelaufen bei der Fifa. Denn der Gastgeber oder mindestens ein afrikanisches Land sollte im Halbfinale, besser noch im Finale landen. 2002 hat das im Falle Südkoreas mit teilweise haarsträubenden Schiri-Entscheidungen prima geklappt. Diese WM aber ist nicht afrikanisch und nicht panafrikanisch, sie ist eine Leistungsschau der Südamerikaner (Fußball) und der Europäer (Stadien). MARKUS VÖLKER
Fifa: Fifa? Ich dachte, die heißt Nena. RICHARD NÖBEL
Beton reicht nicht: Es ist tröstend, dass Verteidigen allein nicht reicht, die Nur-Betonierer langsam nach Hause fahren müssen und immer mehr Fußball gespielt werden wird. CHRISTOPH BIERMANN
Mützen-WM: Die Bilder aus Südafrika unterscheiden sich bisher kaum von denen anderer Weltmeisterschaften: Männer in kurzen Hosen auf dem Platz, verkleidete Fans auf den Rängen. Neu sind Wollmützen beim Training und Daunenmäntel im Stadion. ISABEL LOTT
Sorgen, Sorgen: Nichts von all dem im Vorfeld der WM beschworenen Schrecklichen ist bislang eingetreten. Also fand sich eine neue Sorge: Wenn alle afrikanischen Mannschaften rausfliegen, werden die Nichtweißen dann doch noch durchdrehen? Und was machen diese nach der Niederlageserie? Sie tanzen, ausgelassen und souverän. Toll. INES KAPPERT
2006/2010: Die WM ist gut, aber die letzte war noch besser. NILS NADOLNY
Fußball ohne Ball: Es ist nicht neu, dass Räume eng gemacht und Passwege zugestellt werden. Neu ist aber, dass auch im Spiel nach vorne das Öffnen und Besetzen von Räumen so wichtig wird. So hat sich ein Prozess vollzogen: Beim Fußball geht’s nun zunächst um Raumbesitz, erst dann um Ballbesitz. DOMINIK WEHGARTNER
Supergeschäft: Die WM läuft für die taz besser als erwartet! ANDREAS BULL
ReichsparteitagIn: WM im deutschen Fernsehen: zweiundzwanzig Kicker auf dem Platz, lauter Männer drum herum und eine Moderatorin, die einen Reichsparteitag braucht, um sich bemerkbar zu machen. CAROLIN KÜTER
Parauruguay: Paraguay und Uruguay – bis vor Kurzem konnte man sie kaum auseinanderhalten, beide Teams galten als Treter. Bei der WM sind sie – wie alle südamerikanischen Mannschaften – mit ihrem Kurz- und Steilpassspiel zu Trendsettern geworden. Und sind wieder einmal einander zum Verwechseln ähnlich. JOHANNES KOPP
Wow: Wenn nur alles so laufen würde wie bei Spanien der Ball. PETER UNFRIED
Schiris: Wen kümmern grottige Schiris, wenn schon die Spiele grottig sind? SEBASTIAN KEMPKENS
Expertinnen: Für RTL auf Safari: Nazan Eckes, für die ARD: Franzi von Almsick. Beide fahren im Sonnenaufgang mit Jeeps durch die Wildnis, Franzi besucht sogar einen Gottesdienst in einer Township und gleich danach eine sündhaft teure Shoppingmeile – großer Spaß! CARL ZIEGNER
Good Job: Diego Armando Maradona macht die Menschen glücklich, wir machen nur unseren Job. THILO KNOTT