: Zwei Demos, eine Meinung
Studierende und Schüler streiten vor dem Landtag für bessere Bildung. Eigentlich unterstützen beide Gruppen gegenseitig ihre Forderungen – dennoch demonstrieren sie getrennt
AUS DÜSSELDORF SEBASTIAN HEISER
Vor dem Landtag sieht es aus wie auf einem Pfadfinderlager. Zwei große Zelte haben die knapp 60 Schülerinnen und Schüler aufgebaut, die gegen das neue Schulgesetz protestieren. Unter ihnen ist Pia aus Essen, die gerade 18 Jahre alt geworden ist und in die zwölfte Klasse geht: „Noten sind ungerecht, weil sie einen Zwang schaffen. Schule sollte zum Lernen da sein und nicht dazu, unter Druck gesetzt zu werden.“
Eine Pfadfinder-Gruppe hat den Schülern die schwarzen Planen für die Zelte ausgeliehen, genau wie die Holzstangen und die Seile, die alles zusammenhalten. Über den Platz schallt Reggae-Musik, „Workshop“ von Burning Spear. Das passt ganz gut: Während drinnen der Landtag über das Schulgesetz berät (siehe unten), arbeiten die Schüler draußen ihre Gegenentwürfe aus. Und die werden in den beiden Zelten erstmal ausdiskutiert. Ihre Linie zeichnet sich bereits ab: Gegen Noten, für Gesamtschulen, gegen Verhaltensnoten, für kostenlose Schulbücher.
Auf dem Bahnhof machen sich unterdessen rund 600 Studierende auf den Weg durch die Straßen Düsseldorfs zum Landtag. Darunter sind etwa Felicitas und Beatrix, beide 25 Jahre alt. Sie studieren Architektur an der Fachhochschule Detmold und sind in der Fachschaft aktiv. Sie befürchten einen stärkeren Einfluss der Wirtschaft über den neu geschaffenen Hochschulrat: „Da sitzen dann Unternehmer, die unsere Hochschule überhaupt nicht von innen kennen“, sagt Felicitas.
Im Landtag wird die Bildungsdebatte unterdessen ideologisch. Schulministerin Barbara Sommer (CDU) poltert, für die schlechten Leistungen der Schüler in NRW sei „die altlinke, antiautoritäre Bildung“ verantwortlich, „die Leistung durch Spaß ersetzen wollte“. Grünen-Fraktionschefin Barbara Löhrmann hielt dagegen, dass die Landesregierung ihre Reformen gegen die einhelligen Empfehlungen von Wissenschaftlern durchsetzen wolle. Die SPD-Schulexpertin Ute Schäfer warf der Koalition vor, sie wolle „mit aller Macht ein mittlerweile unzeitgemäßes Schulsystem zementieren“.
Der Platz der Studierenden vor dem Landtag ist direkt neben dem der Schüler. Auf den ersten Blick sieht es aus, als würden beide Gruppen nur durch ein im Wind flatterndes Absperrband der Polizei getrennt. Doch ist auch ein unsichtbarer Graben. Die Schüler halten nicht viel von der gleichzeitigen Demo der Studierenden. Martin Schmelzer, Zwölftklässler aus Bielefeld und Mitglied im Vorstand der LandesschülerInnenvertretung, atmet lange ein. Dann sagt er, dass er es gut findet, weil beide Gruppen die gleichen Anliegen hätten. Andererseits sei die Demo der Schüler schon viel länger angemeldet, und man wolle hier konstruktive Vorschläge für die Schule der Zukunft ausarbeiten. Das sei eben schwierig, wenn direkt daneben 600 wütende Studierende Lärm machen.