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Archiv-Artikel

Helfer mit Hoeneß-Syndrom

ENTWICKLUNGSPOLITIK GIZ-Mitarbeiter im Ausland müssen ab Januar 2014 Einkommensteuer zahlen. Jetzt haben manche keine Lust mehr auf den Job. Gewerkschaft Ver.di verhandelt

GIZler drohen jetzt mit Dienst nach Vorschrift oder mit der Rückkehr nach Deutschland

VON HANNA GERSMANN

Der Arbeitsvertrag wurde nicht verändert. Die Arbeitszeit auch nicht. Doch das verfügbare Einkommen, das Ende Januar 2014 auf dem Konto mancher Entwicklungshelfer landet, die für Deutschland ins Ausland gehen, wird im Vergleich zum Vormonat um 20 bis 30 Prozent geschrumpft sein.

Dahinter steckt eine Geschichte erstaunlicher Privilegien und fehlender Steuergerechtigkeit. Betroffen sind knapp 2.000 Auslandsmitarbeiter der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem größten Träger der Entwicklungshilfe hierzulande. Oft haben auch ihre Partner den Job aufgegeben und sind mitgegangen. Geködert wurden sie mit üppigen Gehältern.

Der Tarifbereich bei der GIZ geht bis über 100.000 Euro pro Jahr. Außertariflich geht es weiter bis 160.000 Euro. Zudem kalkulierten die Entwicklungsexperten mit ein, dass sie nirgends Steuern zahlen, hier nicht und dort auch nicht. Damit ist jetzt ab dem 1. Januar Schluss.

Auftrag der GIZ ist es unter anderem, Länder beim Aufbau gerechter Steuersysteme zu beraten. Nun muss sie sich gegen den Vorwurf wehren, ihre Mitarbeiter zur Steuerhinterziehung angestiftet zu haben.

Ihre Vorgängerorganisation GTZ hatte den Beschäftigten geraten, ihren Wohnsitz in Deutschland für die Dauer des Aufenthalts in der Ferne aufzugeben. Der Effekt: Die Gastländer durften aufgrund sogenannter Doppelbesteuerungsabkommen oft keine Abgaben von den Helfern kassieren. Und in Deutschland blieben sie ohne hiesigen Wohnsitz ebenso vom Fiskus verschont. Die GIZ führte keine Lohnsteuer ab.

Die Finanzämter trugen die Praxis jahrelang mit. Doch dann erging vor knapp zwei Jahren ein Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf. Dort wehrte sich ein GIZler gegen das Finanzamt, das Bezüge von mehr als 100.000 Euro aus einem zehnmonatigen Einsatz in Kasachstan in den Progressionsvorbehalt ziehen wollte. Der Steuersatz für das deutsche Einkommen stieg.

Die Richter erklärten dann jedoch, dass die gesamten Einkünfte in Deutschland zu besteuern seien. Die Begründung: Nach dem sogenannten Kassenstaatsprinzip fielen Gehälter aus öffentlichen Kassen unabhängig vom Wohnsitz unter die Steuerpflicht in Deutschland. Die GIZ ist zwar privatwirtschaftlich organisiert, das Geld kommt aber vom Staat.

Der GIZ-Mitarbeiter legte zunächst Revision beim Bundesfinanzhof ein, zogen dann aber auf Anraten der GIZ-Juristen zurück. So lassen sich Präzedenzfälle vermeiden. Dietmar Gosch, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, schrieb dennoch in einem Fachaufsatz, die „Keinmalbesteuerung“ der GIZler sei nicht zu rechtfertigen.

55 Mitarbeiter der GIZ bekamen dann von den Finanzämtern Post mit hohen Nachforderungen. Am 5. Dezember dieses Jahres wandte sich allerdings das Bundesministerium für Finanzen an das Entwicklungsministerium. In dem Schreiben heißt es, dass die Rechtslage im Großen und Ganzen erst auf „nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Besteuerungszeiträume“ angewandt werden soll. Nur wenige Fälle bleiben noch strittig. Es ist eine Art Stillhalteabkommen für die Vergangenheit.

Die Zukunft sieht dafür anders aus. „Einbehalt und die Abführung von Lohnsteuer für die entsandten GIZ-Mitarbeiter spätestens für den ersten Lohnzahlungszeitraum 2014“ seien sicherzustellen, schreibt das Finanzministerium. Die GIZ will sich dazu nicht äußern. Genaue Zahlen nennt niemand.

Unter den Auslandsmitarbeitern der GIZ wächst der Ärger: „Ich mache Dienst nach Vorschrift“, „Ich gehe zurück in die Zentrale.“ Oder: „Ich suche mir einen neuen Arbeitgeber“, heißt es derzeit bei ihnen.

Aus Sicht mancher Mitarbeiter böte sich eine Lösung analog der Bezahlung deutscher Botschafter im Ausland an: Sie zahlen Steuern, bekommen aber üppigere Zulagen als GIZ-Mitarbeiter. Die Gewerkschaft Ver.di verhandelt derzeit. Verdi-Vertreter Tobias Schürmann sagt zu den Details wenig, meint aber: „Nicht die Steuerpflicht als solche ist bedenklich, wohl aber die plötzliche Belastung“ der Beschäftigten. Mindestens müssten die vereinnahmten Steuern der GIZ zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.