: Gillard stürzt Rudd down under
AUSTRALIEN Erstmals führt eine Frau die Regierung. Die bisherige Vizepremierministerin Julia Gillard übernimmt nach einer parteiinternen Revolte das Amt von Kevin Rudd
AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN
Australiens Laborpartei hat am Donnerstag Julia Gillard zur Parteichefin gekürt. Kurz darauf wurde sie als erste Frau in Australien als Premierministerin vereidigt. Der bisherige Premier Kevin Rudd hatte sich am Morgen nicht mehr zur parteiinternen Neuwahl gestellt, nachdem klar geworden war, dass er die Unterstützung der Partei verloren hatte. Umfragen hatten in den letzten Wochen signalisiert, dass Labor mit Rudd an der Spitze die Wahlen verlieren würde, die spätestens im April 2011 stattfindend müssen. Viele WählerInnen waren vom einstigen Hoffnungsträger enttäuscht, nachdem er mehrere Versprechen gebrochen hatte.
Bei seiner Wahl im November 2007 war der Sozialdemokrat Rudd von weiten Teilen der Bevölkerung gefeiert worden. Er hatte nach elf Jahren den erzkonservativen Premier und Führer der liberalnationalen Koalition John Howard abgelöst. Als Erstes unterzeichnete Rudd das Kioto-Protokoll. Im Wahlkampf hatte er den Kampf gegen den Klimawandel als „größte moralische Herausforderung unserer Zeit“ genannt und ernsthafte Maßnahmen versprochen.
Dieses Versprechen trug zu seinem frühzeitigen politischen Ende bei. Nachdem die Einführung eines Emissionshandels im Parlament dreimal an der konservativen Opposition scheiterte, vertagte er dies auf unbestimmte Zeit. Kurz darauf begannen die Meinungsumfragen umzuschwenken. Auch in der Flüchtlingspolitik und im Umgang mit den chronisch benachteiligten Aborigines enttäuschte Rudd, da er versprochene Reformen nicht im erwarteten Umfang realisierte. Pläne für eine Steuer auf sehr hohe Gewinne der Bergbauindustrie besiegelten schließlich sein Schicksal. Die Industrie bekämpfte die Steuer mit einer direkt gegen ihn gerichteten Angstkampagne.
Rudd verstand auch nicht, die Leistungen seiner Regierung zu kommunizieren. So rutschte Australien in der Finanzkrise als eines von wenigen Ländern nicht in die Rezession. Internationale Experten attestierten Rudd, die Krisengefahr frühzeitig erkannt und durch massive Investitionen in den öffentlichen Sektor aufgefangen zu haben. Rudd wurde vielmehr unnahbar und entpuppte sich als wenig volksnaher Intellektueller, der sein Kabinett autokratisch führte. Wichtige Beschlüsse erfuhren selbst Minister erst aus den Medien.
Gillard gab kurz nach ihrer Vereidigung bekannt, eine gerade erst begonnene Informationskampagne gegen die Attacken der Rohstoffindustrie abzubrechen. Damit hielt sie ein von Rudd gebrochenes Versprechen ein, keine Steuergelder für politische Propaganda einzusetzen. Der Rohstoffkonzern BHP Billiton stellte darauf seine eigene regierungskritische Anzeigenkampagne ein. Gillard sagte, sie sei weiter an einem Emissionshandelssystem interessiert, wolle aber den Konsens mit der Industrie suchen.
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