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Archiv-Artikel

Der Norden prickelt halbtrocken

SEKT Die Hanse-Sektkellerei in Wismar ist die nördlichste im Land. Neun Monate reift dort jede Flasche Sekt. Vom Abfüllen übers Drehen bis zum Etikettieren geschieht alles per Hand

Die Flaschengärung

Im Champagnerverfahren werden die Rieslingsekte aus Wismar hergestellt.

■ Hefe und Zucker gibt der Kellermeister dem Wein zu, dieser wird dann bei rund 13 Grad gelagert.

■ Die Gärphase: Die Hefen zerlegen den Zucker in Alkohol und Kohlensäure. Der Kohlensäuredruck in den Flaschen ist dabei bis zu acht bar hoch.

■ Die Reifephase: Bis zu zwei Jahren lagern die Sektflaschen in Wismar. Die Dauer der Lagerung beeinflusst ganz wesentlich das Bukett.

■ Fertig ist der Sekt erst, nachdem er für etwa 20 Tage im so genannten Rüttelpult lag. Dabei werden die Flaschen in ein schräg gestelltes Pult aus Hartholz gesteckt, mit dem Kopf nach unten.

■ Das Rütteln führt dann der Kellermeister durch. Einmal täglich rüttelt und dreht er jede Flasche in einer Vierteldrehung.

■ Die Hefe wandert dadurch zunehmend in Richtung Verschluss. Am Ende lagert das Hefedepot fest auf dem provisorischen Kronkorken, der Sekt ist jetzt ganz klar.

■ Zum Enthefen – oder auch Degorgieren – werden die Flaschen kopfüber in ein Kältebad gestellt. Dadurch friert die Hefe am Korken fest, dieser wird dann mit einem Hackenschlüssel abgerissen.

■ Zum Schluss wird der Sekt gesüßt und die Flasche mit Naturkorken und Drahtkappe versehen.

VON UTA GENSICHEN

Mit Sekt lässt man sprichwörtlich die Korken knallen. Keine Stehparty, kein Empfang können ohne das prickelnde Getränk auskommen. Aber wie viel Arbeit es macht, bis aus Hefe, Zucker und Wein eine Flasche Sekt wird, weiß kaum jemand.

Zu den ganz großen Namen in Deutschland zählt unübertroffen Rotkäppchen, mit mehr als 80 Millionen verkauften Flaschen pro Jahr. Ebenfalls aus dem Osten stammen Marken wie Schweriner Burggarten, Hanse-Sekt oder die DDR-Traditionsmarke Uhle-Sekt. Bis zur Wende wurden Burggarten und Uhle-Sekt noch im Schweriner VEB Uhle produziert. Durch Auflösung des DDR-Kombinats SWS (Sekt, Wein, Spirituosen) kam Bewegung in den östlichen Sekt-Markt. Weil in Schwerins Innenstadt wegen des LKW-Verkehrs nicht mehr produziert werden durfte, übernahm die Kellerei aus Wismar die Marke Burggarten. Unter dem Namen Weinhaus Michaelis wurde in dem Kellergewölbe bereits seit 1945 Wein gelagert. Die Übernahme der Sektmarke 1991 war der Grundstein für die Hanse Sektkellerei. Später kam der im Westen unbekannte Uhle-Sekt hinzu.

Die Sektkellerei vor Ort ist klein. Gerade mal 10.000 Flaschen werden hier – zehn Meter unter der Erde – produziert. Einen Tank, in dem der Sekt drei Monate gärt und dann in Flaschen abgefüllt wird, gibt es nicht. Für die großen Produktions-Chargen ist der pfälzische Mutterkonzern Schloss Wachheim zuständig. In Wismar gibt man den Hefebakterien mehr Zeit, damit aus dem vergärten Most Sekt wird. „Mindestens neun Monate und einen Tag müssen die Flaschen hier unten liegen“, sagt die Chefin des Kellers, Astrid Ratz. Der eine Tag sei zwar für die Gärung nicht mehr entscheidend, aber das deutsche Gesetz schreibe es nun einmal vor, sagt sie augenzwinkernd.

Tausende Flaschen warten angekippt, mit dem Flaschenhals nach unten, darauf, vom Kellermeister handgedreht zu werden. Auch wenn es nicht so aussieht – in den Flaschen passiert in dieser Zeit eine ganze Menge. In Wein gelöster Zucker und Hefe gären solange vor sich hin, bis daraus zu gleichen Teilen Alkohol und Kohlensäure entstehen. Nicht anders wird Champagner hergestellt. Nur dass dieser Sekt natürlich nicht Champagner genannt werden darf, sondern Brut, Extra Brut oder Brut Nature – je nachdem, wie viel Mostdosage am Ende zugegeben wird.

„Die Norddeutschen trinken aber am liebsten halbtrocken“, sagt Jürgen Krug, Geschäftsführer der Hanse Sektkellerei. Bis auf Städte wie Hamburg, Bremen und Lübeck, Norddeutschlands Zentren der Weinkenner, trinke das platte Land nun mal halbtrocken – „von Ostfriesland bis Polen“, wie Krug sagt.

Der Wein für fast alle Produkte der Hanse Sektkellerei, ein Riesling, stammt aus der Pfalz. In Wismar geben die vier Mitarbeiter dem Ganzen dann seinen nordischen Anstrich. Regionalität sei ihm wichtig, sagt Krug, der bereits 1985 in der Uhle-Sektkellerei anfing. Er findet es beispielsweise schade, dass in den Kneipen der Region oft keine Mecklenburger Biere angeboten werden.

Um Gästen, die für Führungen oder Feste in den Gemäuern einkehren, den nordischen Sekt näher zu bringen, hat die Kellerei vor zehn Jahren etwas Besonders entwickelt: Die Hanse-Edition, ein trockener Sekt aus italienischem Chardonnay mit wenig Säure. Hanseatisch ist vor allem die Aufmachung: In Anlehnung an goldene Zeiten des Bündnisses sind auf der gülden eingefärbten Flasche alte Segelschiffe abgebildet: ein Lübecker Viermaster, eine Kogge oder eine Karacke. Auf der Rückseite blickt der Betrachter auf eine Karte mit früheren Hansestädten wie Wismar, St. Petersburg und Köln. „Darauf sind wir sehr stolz“, sagt Krug. Sektliebhaber mit Hang zum Historischen können die sechs Euro teure Flasche nur im Fachhandel oder direkt in der Sektkellerei in Wismar erstehen.