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Archiv-Artikel

Haste mal ein paar Euro?

KREDITE VON PRIVATEN Wenn Bürger Bürgern auf direktem Weg Geld leihen, profitieren beide Seiten davon: Das unbürokratische Verfahren wird genutzt, um bewusst und sinnvoll zu investieren

Das Prinzip „Ebay für Geldgeschäfte“: Hier wie dort wird um Leistungen (Kredite) und Preise (Zinsen) gefeilscht

Zimmermeister Mike Mätzing brauchte eine Zwischenfinanzierung über 11.000 Euro: „Banken verlangen für einen Kredit eine Absicherung in gleicher Höhe. Wenn ich das leisten könnte, brauchte ich keinen Kredit.“ Deshalb äußerte er auf Empfehlung eines Unternehmensberaters seinen Kreditwunsch bei Smava, einem Kreditvermittler im Internet. „Nach wenigen Tagen hatte ich das Geld ohne unnötige Bürokratie zusammen“, so Mätzing, dessen Betrieb für Häuser aus Naturstämmen in Vogelsdorf bei Berlin ansässig ist. Das Geld kam nicht von Banken, sondern von Bürgern. Im diesem Fall brachten knapp 20 private Kreditgeber das Geld auf. Smava ist bei diesem Geschäft nur Vermittler. Das Ausfallrisiko tragen die Kreditgeber, die dafür Zinsen kassieren. Mätzing nennt diese Internetplattform „Ebay für Geldgeschäfte“. Hier wie dort wird um Leistungen (Kredite) und Preise (Zinsen) gefeilscht.

„Zuerst bot ich“, so Mätzing, „nur einen geringen Zinssatz. Nach einer ergebnislosen Woche habe ich mein Zinsangebot verbessert. Dann ging alles sehr schnell.“ Solche Geldgeschäfte können für beide Seiten attraktiv sein. Der Kreditgeber muss sich nicht an klassische Banken wenden, denen man nachsagt, dass sie Kreditvergaben für private oder geschäftliche Zwecke immer restriktiver handhaben. Die privaten Geldgeber bekommen in der Regel höhere Zinsen als bei Anlagen auf Spar-, Tages- oder Festgeldkonten. Fachleute bezeichnen solche Kreditgeschäfte von Mensch zu Mensch als social lending oder person-to-person lending.

„Besonders seit der Finanzmarktkrise achten immer mehr Menschen darauf, wem sie ihr Geld leihen und wozu es verwendet wird“, sagt Alexander Artopé, einer der Gründer von Smava. „Trägt man sein Geld zu einer konventionellen Bank, hat man oft kaum einen Einfluss darauf, in welche Projekte die Mittel fließen.“ Nach seinen Erfahrungen ist einem Drittel der Verleiher die Rendite „gar nicht so wichtig“. Der Rest interessiere sich schon für den Zweck der Kreditaufnahme, achte jedoch ebenso auf eine gute Verzinsung des eingesetzten Kapitals.

Anleger handeln nicht nur renditeorientiert, sondern ebenso risikobewusst. Smava prüft deshalb jeden Kreditwunsch und lehnt ihn zuweilen teilweise oder ganz ab. Maßgeblich im Prüfungsverfahren ist eine Auskunft der Schufa, die über mehr oder weniger jeden, der Geldgeschäfte tätigt, Informationen sammelt. Des weiteren muss die Einkommenssituation belegt werden. Unternehmer müssen zusätzlich Bilanzen und Steuererklärungen einreichen. Am Ende steht eine Eingruppierung in eine von acht Schufa-Risikoklassen. Diese Sortierung ist eine Aussage über die Kreditwürdigkeit des Antragstellers und bestimmt maßgeblich die Höhe der zu berappenden Kreditzinsen. In der Bonitätsklasse A beträgt zum Beispiel das statistische Ausfallrisiko 1,38 Prozent. Die Smava rechnet für diese Klasse mit einen Risikoaufschlag von 0,3 bis 1 Prozent. Das Ausfallrisiko in der schlechtesten Bonitätsklasse H beträgt satte 15,2 Prozent. Der Risikoaufschlag liegt deswegen zwischen 8,8 und 12,2 Prozent. Die durchschnittliche reale Rendite betrug 2009 7,3 Prozent vor Steuern, wobei die Anleger durchschnittlich rund 3.000 Euro auf mehrere Geschäfte verteilten.

Kredite, die nicht oder nur schleppend getilgt werden, verhageln Anlegern das Geschäft. Allerdings kommt es bei Smava nie zu Totalverlusten, weil jedes Geschäft innerhalb eines Risikopools stattfindet, der dafür sorgt, dass der Ausfall auf mehrere Schultern verteilt wird. Allerdings müssen sich Anleger darüber im Klaren sein, dass sie über diese Risikoabsicherung für andere Kreditausfälle mithaften, auch wenn sie dort nicht selbst engagiert sind. Im Grunde sind diese Risikopools eine kostenpflichtige Zwangsversicherung.

Smava ist nicht der einzige Markt im Internet für auktionierte Kredite. Der größte deutsche Vermittler ist laut der Zeitschrift Finanztest aber auch der beste. Nicht zuletzt, weil bei Smava Gebühren nur fällig werden, wenn Geschäfte tatsächlich zustande kommen.

Anleger können nach dem gleichen Prinzip auch Personen, die in weniger entwickelten Ländern leben, Geld zur Verfügung stellen: Kiva.org etwa führt Menschen zusammen, doch dort sind alle Leihgeschäfte zinslos. Wenn es gutgeht, hat man am Ende seinen Einsatz zurück. Renditejäger sind andernorts besser aufgehoben. TILMAN VON ROHDEN