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: Man stirbt hier brutal oder sanft, immer jedoch sachlich

Abel Ferrara: „King of New York“ (USA/UK/Italien 1990, 104 Min.) Uncut-Version des bislang indizierten Films ab rund 9 Euro

Im Gesicht Christopher Walkens ein Lächeln, das um das Ende, das ihn erwartet, schon weiß

Zwei, drei Einstellungen lang sieht man Frank White (Christopher Walken) im Knast. Dann kommt er raus und alles an ihm sagt: Nie wieder.

Nicht dass er das Dealen mit Drogen nun sein ließe oder das Morden. Im Gegenteil, er steigt wieder ein, im ganz großen Stil. Er räumt auf unter den Konkurrenten, auf blutige Weise. Er feiert mit seinen Buddies, die fast alle schwarz sind, auf sie lässt er nichts kommen, und den Italo-Mafioso mit seinen rassistischen Sprüchen knallt er also umstandslos ab.

Frank White watet durch Blut, tiefer und tiefer. Im Gesicht Christopher Walkens ein Lächeln, das um das Ende, das ihn erwartet, schon weiß. Wie auch wir natürlich von Anfang an wissen, dass es für ihn böse ausgehen wird, und zwar gar nicht, weil im Hollywoodfilm einer wie er bestraft werden muss.

So simpel ist das nicht, nicht bei Abel Ferrara und seinem langjährigen Drehbuchautor Nicholas St. John, mit dem er zum Beispiel in „Bad Lieutenant“ noch einmal sehr tief hinabgestiegen ist in die Hölle, als die sich in diesen Filmen das New York dieser Zeit so wunderbar ausmalen lässt.

Gleich wichtig sind darum die beiden Teile des Titels. Der King, ein König in seiner Imagination und in seinen rasenden Taten, nicht in den Augen der Welt, der King, der in Chinatown und anderswo aufräumt, der so wahnsinnig ist, sich als künftiger Bürgermeister der Metropole zu imaginieren. Und eigentlich sieht er sich als das Gute noch und gerade im Wüten und Morden. Wen tötet er schließlich: die Bösen, die Drogendealer ohne Gewissen, Finsterlinge allesamt, alle ihrerseits Mörder, Totschläger, Folterer, Schlächter.

In den Mitteln ist er nicht zimperlich. Aber für das Krankenhaus gibt er Geld. Sogar das Gesetz kriegt er rum. Es dauert keine Viertelstunde und er haut seine Schergen auf Kaution wieder raus. Der schönen Anwältin geht er in der U-Bahn an die Brust, mit ihr geht er ins Bett, sie ist nicht skrupellos, kann aber dem freundlich lächelnden Irren, dem irre lächelnden Tänzer, dem Mörder, Lächler und Tänzer Frank White auf selbstverständliche Weise nicht widerstehen. Schauplätze, fast immer bei Nacht: in erster Linie die Bronx; aber auch Chinatown, wie gesagt. Am Ende der Times Square. Und immer wieder die U-Bahn: Dort findet ein Überfall statt, den Frank souverän abwehrt, und auch der Showdown, der wie alles in „King of New York“ wunderbar unterinszeniert ist.

Man stirbt hier brutal oder sanft, immer jedoch sachlich. Erst aus dieser Sachlichkeit zieht Abel Ferrara dann zuletzt wieder sein Pathos, mit opernhafter Musik. Und das Ende ist eben gerade nicht Strafe, sondern Erschöpfung, letzte Konsequenz einer Reihe von Taten, eines Häufens von Leichen, rechts und links, überall, und am Ende ist auf dem Rücksitz eines Taxis noch Platz für den einen und letzten Tod, der einfach nur ein Ausatmen ist, auf das kein Einatmen mehr folgt.

Monströs ist Frank White, weil er das Gesetz dazu verführt, ihm zu gleichen. Die Polizei verzweifelt am Recht, das des Mörders nicht Herr wird, und nimmt es in die eigene Hand. Furchtbare Shootouts, einer wird an einem Hydranten zu Matsch, es ist alles ein einziges Unheil.

Finster beginnt es, finsterer wird es und am Ende ist keiner, wirklich kein einziger mehr am Leben. Man fragt sich, wie Ferrara das eigentlich ansieht. Sachlich, gewiss. Aber im Sachlichen liegt die Wut, liegt Verzweiflung und liegt doch auch Liebe zur Stadt, die all das hervorgebracht hat. EKKEHARD KNÖRER