: Wählerwille vor Gericht
ANFECHTUNG Das Wahlergebnis vom vergangenen September wird heute vor dem schleswig-holsteinischen Verfassungsgericht verhandelt. Die Opposition hofft auf den Anfang vom Ende für Schwarz-Gelb
Auf dem Prüfstand steht nicht weniger als die schwarz-gelbe Mehrheit im Kieler Landtag. Heute verhandelt das Schleswig-Holsteinische Landesverfassungsgericht in Schleswig über die Mandatsverteilung nach der Landtagswahl am 27. September vergangenen Jahres. Sollte das Gericht der Klage der Grünen und des Südschleswigschen Wählerverbandes (SSW) sowie einer weiteren Klage der Linkspartei folgen, dürfte die gerade mal eine Stimme betragende Mehrheit für die CDU-FDP-Koalition kippen. In der Konsequenz könnte das zu Neuwahlen im nördlichsten Bundesland führen.
Mit den vom Gericht zu einem Verfahren zusammengelegten Klagen wollen die drei Oppositionsparteien klären lassen, ob die vom Wahlgesetz vorgegebene Deckelung der Ausgleichsmandate verfassungskonform ist. Nach der Landtagswahl waren drei von elf Überhangmandaten der CDU nicht durch Ausgleichsmandate für andere Parteien kompensiert worden. Damit bekamen CDU und FDP zusammen 49 Sitze, die Opposition aus SPD, Grünen, SSW und Linksfraktion zusammen 46.
Knappe Mehrheit
Nachdem in einem Wahlkreis in Husum nachgezählt wurde, verlor die FDP im Januar einen Sitz an die Linke – die Regierungsmehrheit für Schwarz-Gelb schrumpfte auf 48 zu 47. Bei einem vollständigen Ausgleich aller Überhangmandate jedoch hätten CDU/FDP 50 Mandate erhalten, die anderen Fraktionen hingegen zusammen mit 51 die Mehrheit errungen.
Aus Sicht von Linkspartei, Grünen und SSW ist die entsprechende Regelung in der Landesverfassung unzulässig, weil so der Wählerwille verfälscht werde. CDU und FDP zusammen hatten bei der Wahl 27.000 Zweitstimmen weniger bekommen als die anderen vier Landtagsparteien. Wegen der Begrenzung der Ausgleichsmandate erhielten Christdemokraten und Liberale aber im Parlament die Mehrheit.
„Wir erwarten vom Gericht Rechtsklarheit“, sagt der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Thorsten Fürter: „Wenn die Minderheit zur Mehrheit werden kann, ist das in einer Demokratie ein gravierender Vorgang.“
Große Hoffnungen
Fürter hofft, dass das Verfassungsgericht „die Schlussrunde einläutet für eine Regierung, die in der Bevölkerung von Anfang an ohne Mehrheit dastand“. Auch die Linke ist optimistisch: Der CDU-FDP-Regierung, sagt Fraktionschef Heinz-Werner Jezewski, werde „jetzt auch die rechnerische Mehrheit verloren gehen“.
Wahrscheinlich aber nicht heute: Erwartet wird, dass das Verfassungsgericht seine Entscheidung erst nach der Sommerpause Ende August verkünden wird. SVEN-MICHAEL VEIT