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Archiv-Artikel

SPIELPLÄTZE (14) Wembley-Tore in zwei bis drei Dimensionen

FUSSBALLGUCKEN Deutschland gegen England auf der Fanmeile durch die Brille gesehen

Spielplatztest

Ort: Fifa-Fanmeile auf der Straße des 17. Juni. Einer von fünf Orten auf der Welt, an dem Fifa-Chef Blatter das 3D-Gucken versprochen hat.

Sicht: Beschissen. Das war schon bei der Fanmeile 2006 so. Aber Beschissene wollen halt beschissen gucken.

Kompetenz: Wie in der Ostkurve im Olympiastadion. Aber die interessiert ja keinen mehr.

Nationalismus: Schwarz-rot-gold von Pampers bis Pumps

Wurst: zu teuer

Das musst du gesehen haben“, schwärmte eine Bekannte, nachdem sie das Weltenrettungsdrama Avatar in 3D geguckt hatte. „Mittendrin bist du im Geschehen, der Unterschied zwischen Leinwand und Zuschauer verschwindet. Na ja, fast.“ Das klang wie ein Versprechen, erst recht, nachdem klar war, dass es bei der WM im Achtelfinale gegen die Engländer ging. Rooneys von Selbstzweifel geplagtes Gesicht ganz nah vor meinen Augen? Das musste ich gesehen haben.

Dass es 3D auf der Fanmeile geben würde, wusste ich seit meinem letzten Einsatz als Chef vom Dienst. Im Grunde war die Zeitung schon voll, doch diese Meldung musste noch rein: Acht Spiele sollen zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule im Avatar-Format gezeigt werden. Ganz sicher würde auch das Achtelfinale zwischen England und Deutschland dabei sein.

Also rechtzeitig auf den Weg gemacht, den erstbesten Ordner gefragt und nichts wie hin zum Sonyzelt. Denn 3D in Deutschland, das ist Sony, wie einer der Ordner verrät. Die Menschenschlange ist beträchtlich. Doch das Warten lohnt sich, sogar die Brille gibt es umsonst, allerdings nur auf Leihbasis. Super, denke ich, intensiver kann ein Match gegen England gar nicht werden. Und kundiger begleitet auch nicht.

Kaum im Zelt, erklärt sich auch der Grund für die Schlange. Sony nimmt sich nämlich Zeit für seine 3D-Fans. Auf vier Zuschauer kommt ein Sony-Mitarbeiter, der wortreich und auch ein bisschen stolz die 3D-Technik erklärt. Von den parallel aufgenommenen Bildern ist die Rede, der Übertragungstechnik also, und den Brillen, der Empfangstechnik. Dazu laufen hübsche Bilder von hübschen Fans im hübschen Südafrika.

Die entscheidende Frage aber bleibt beantwortet, also muss der Reporter fragen, ob Rooney denn gleich live übertragen werde. „Leider nein“, lautet die Antwort. Und warum nicht? „Weil in Deutschland keine 3D-Spiele übertragen werden dürfen.“ – „Aber es stand doch in der Zeitung“, warf ich, etwas hilflos, ein. „Eine Ente“, erklärte der Mitarbeiter kenntnisreich. „Deutschland hat es versäumt, bei der Fifa die Rechte zu kaufen.“

Wortlos verließ ich das Zelt. Auf der Fanmeile schwarzrotgoldete es schon mächtig, doch so schön wie auf den hübschen Bildern von den hübschen Fans im hübschen Südafrika wird es heute nicht werden, argwöhnte ich. Sollte ich recht behalten? Punkt 16 Uhr der Anpfiff.

Was nun folgt, hätte auch kein 3D übertragen können: Traumtore, Gegentore, Wembleytore. Und die große Unsicherheit: Was wird in der zweiten Halbzeit kommen?

Es laufen hübsche Bilder von hübschen Fans im hübschen Südafrika

Die Frage kann auch das Sonyzelt nicht beantworten. Schlangen gibt’s inzwischen nicht mehr, ich bin der einzige 3D-Fan. Auch keine hübschen Bilder von hübschen Fans im hübschen Südafrika dringen hübsch dreidimensional durch die Brille auf meine Netzhaut. Dafür aber die Highlights aus dem Ghana-Spiel. Volley draufgehalten und rein ins Netz. Mesut Özil zeigt, wie es geht. Nicht dreidimensional, nicht zweidimensional, sondern so, wie es beim Fußball sein muss: aufm Platz!

Aufm Platz war’s dann auch in der zweiten Halbzeit viel schöner. Nur: Rooneys Gesicht nach dem Abpfiff hätte ich mit all seinen Sorgenfalten gern noch genauer gesehen. UWE RADA