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Archiv-Artikel

Fiat schluckt Chrysler

INDUSTRIE Der Turiner Autokonzern übernimmt seine US-Tochter Chrysler komplett. Das Geschäft kostet 3,16 Milliarden Euro. Freude in Italien

Fiat wird ein Weltkonzern, und die Gewerkschaften freuen sich

VON RICHARD ROTHER

BERLIN taz | Der italienische Autokonzern Fiat übernimmt den US-amerikanischen Fahrzeughersteller Chrysler komplett. Der Konzern mit seinem Stammsitz im piemontesischen Turin erwirbt für rund 3,16 Milliarden Euro den noch fehlenden Minderheitsanteil an Chrysler, den bislang der Gesundheitsfonds der nordamerikanischen Autogewerkschaft UAW hält. Fiat sichert sich damit die volle Kontrolle über seine US-Tochter, bei der die Italiener bereits 2009 eingestiegen waren, und schwingt sich damit zum globalen Autokonzern auf – trotz der schweren Absatzkrise im Süden Europas.

„Dank der einheitlichen Besitzverhältnisse können wir nun unsere Vision eines globalen Autoherstellers umsetzen“, erklärte Konzernchef Sergio Marchionne. Während Fiat seine Fahrzeuge vor allem in Europa und Lateinamerika verkauft, ist Chrysler aus Auburn Hills nahe Detroit in Nordamerika stark. Zu dem Gesamtkonzern gehören auch die italienischen Marken Alfa Romeo, Lancia und Abarth sowie die amerikanischen Marken Jeep, Dodge und Ram.

Die italienischen Gewerkschaften begrüßten das Geschäft. „Dass Fiat heute ein echter Weltkonzern ist, ist auch unser Verdienst“, sagte Raffaele Bonanni, Chef der Gewerkschaft CISL. Und Luigi Angeletti, Vorsitzender der UIL, sprach von einem „historischen Ereignis“ und einem „starken Unternehmen“.

Die US-Tochter hatte den auf dem europäischen Markt schwächelnden Konzern zuletzt etwas entlastet: Chrysler machte im dritten Quartal dank guter Verkaufszahlen der Modelle Ram und Jeep Grand Cherokee 464 Millionen Dollar Gewinn; Fiat verdiente im selben Quartal nur 260 Millionen Dollar.

Fiat war 2009 bei Chrysler eingestiegen, als der US-Konzern in der Wirtschaftskrise in die Insolvenz rutschte und vom amerikanischen Staat gerettet wurde.

Fiat bot technisches Know-how an und erhielt dafür nach und nach mehr Anteile. Die Partnerschaft erwies sich trotz aller Unkenrufe als Erfolg: Chrysler schreibt seit mehr als zwei Jahren Gewinne, auch weil der US-Automarkt nach der Krise wieder wächst. Dieser Erfolg half Fiat, die Einbrüche auf dem europäischen Automarkt zu überstehen.

Chrysler hatte schon einmal zu einem europäischen Autokonzern gehört: Von 1998 bis 2007 war das Unternehmen mit Daimler fusioniert, der Autokonzern nannte sich während dieser Zeit DaimlerChrysler. Warum Fiat schafft, was Daimler misslang – darüber kann man nur spekulieren. Gut möglich, dass die Philosphie des Massenherstellers Fiat besser zum Volumenproduzenten Chrysler passte als die des Premiumherstellers Daimler. Vielleicht war Fiat aber einfach nur zur rechten Zeit am rechten Ort – in der Krise günstig einsteigen und anschließend vom Ende der Krise profitieren.

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