Steuern hoch, Krankenbeiträge runter

SPD-Idee trifft auf Sympathie bei Kanzlerin Angela Merkel. Hessens Ministerpräsident Roland Koch: „Ausgeschlossen“

Steuern für Gesundheit: „Ein behutsamer Einstieg kommtin Betracht“

BERLIN taz ■ Vor knapp zwei Monaten, Ende April 2006, war die Antwort noch „Nein“. Die Frage an den designierten SPD-Chef Kurt Beck und Bundesfinanzminister Peer Steinbrück lautete: Sind weitere Steuererhöhungen jenseits der Mehrwertsteuer geplant? Seit gestern muss die Antwort nun heißen: „Vorläufig nicht“. Aber vielleicht in den Jahren ab 2008.

Mehr Steuern ins Gesundheitssystem zu leiten bezeichnete Regierungssprecher Thomas Steg gestern als „sinnvoll“. Ein „behutsamer Einstieg“ in die stärkere Steuerfinanzierung komme „möglicherweise in Betracht“, sagte Steg. Das bedeutet zweierlei: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) findet die Debatte nicht ganz falsch, die aktuell von der SPD angestoßen wurde. Und zweitens würden ab 2008 bestimmte Steuern steigen – die bislang absehbaren Einnahmen auf bisherigem Niveau sind ja schon verplant.

Die Debatte erreicht jetzt die Öffentlichkeit, weil sich die große Koalition bei der geplanten Gesundheitsreform selbst unter Druck gesetzt hat. Bevor Anfang Juli die Sommerpause des Bundestages beginnt, wollen die Spitzen von Union und SPD grundsätzlich beschließen, wie künftig die Finanzierung des Gesundheitssystems aussehen soll. Es geht darum, wie viel Geld aus den Sozialabgaben der Arbeitnehmer und Arbeitgeber, aus Steuermitteln und aus der privaten Krankenversicherung in den geplanten Gesundheitsfonds fließen soll. Um hohe zusätzliche Beiträge für die Beschäftigten zu vermeiden, hat die SPD-Spitze die große Lösung ins Gespräch gebracht. Bis zu 45 Milliarden Euro könnten zusätzlich aus Steuermitteln beschafft werden, finden SPD-Chef Kurt Beck, Arbeitsminister Franz Müntefering und Finanzminister Peer Steinbrück. Dieses Geld würde unter anderem dafür verwendet, die Sozialabgaben der Unternehmen und Beschäftigten zu senken, um die Kosten der Arbeit insgesamt zu drücken.

Nur schemenhafte Ideen kursieren bislang, welche Steuern angehoben werden könnten. In Frage kommt abermals die Mehrwertsteuer. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt sie in Deutschland relativ niedrig – selbst nach der schon geplanten Erhöhung um drei Prozentpunkte zum Januar 2007. Ein zusätzlicher Mehrwertsteuerpunkt bedeutet Einnahmen von rund acht Milliarden Euro.

Ein weiterer Kandidat ist die Einkommensteuer. Seit Beginn der rot-grünen Regierung 1998 ist sie deutlich gesunken. Der Spitzensatz für hohe Einkommen, der früher bei 53 Prozent lag, beträgt nun 42 Prozent. Infolge der rot-grünen Reformen haben die Bundesbürger zwischen 50 und 60 Milliarden pro Jahr mehr zur Verfügung als früher. Einen Teil dieser Steuersenkung müsste die Bundesregierung wieder rückgängig machen.

Aber auch die Erbschaftsteuer, die im vergangenen Jahr 4 Milliarden Euro einbrachte, und die Grunderwerbsteuer auf Immobilien (4,5 Milliarden) sind für eine mögliche Anhebung im Gespräch. Diese Einnahmequellen würden eher die wohlhabenden Teile der Bevölkerung betreffen. Ferner wird die Vermögensteuer genannt, die die Finanzämter seit Jahren nicht erheben. An die Ökosteuer denken zurzeit nicht einmal die Grünen.

Sollte der große Plan „Steuern hoch, Sozialabgaben runter“ tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, würde die Regierung vermutlich zu einer Mischung aus Mehrwert-, Einkommen- und anderen Steuern greifen.

Welchen Umfang und welche Erhöhungsstufen die große Koalition beschließt, ist unklar. Aus der Union kommt deutliche Kritik. „Eine Steuerfinanzierung von 45 Milliarden Euro ist völlig ausgeschlossen“, sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) dem Handelsblatt.

HANNES KOCH

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