: Beim Geld endet die Privatsphäre
Ermittler dürfen seit dem 11. September auch in Europa auf Bankdaten zugreifen. Eine Schleierfahndung wie in den USA ist aber nicht möglich
BERLIN taz ■ Transparenz auf den internationalen Finanzmärkten, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Terrorismus auf der einen und der Schutz der Privatsphäre auf der anderen Seite – beides sind hehre Ziele, die sich aber schlecht vertragen. Bankdaten sind deshalb auch in Europa kein Geheimnis mehr, eine Schleierfahndung wie in den USA ist aber noch nicht möglich.
So durften in Deutschland Ermittler schon unmittelbar nach dem 11. September 2001 auf Kontoinformationen zugreifen – wenn auch zunächst nur bei konkretem Verdacht auf Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder im Rahmen eines Strafverfahrens. 2003 wurden die Banken zudem gesetzlich verpflichtet, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht automatisierten Zugriff auf die Stammdaten ihrer Kunden zu ermöglichen – also etwa auf Name und Kontonummer, nicht aber auf Kontostand oder Überweisungen. Die Banken müssen jedoch auffällige Bareinzahlungen oder ungewöhnlich große Überweisungen aus dem Ausland an den Fiskus melden. Im April letzten Jahres schließlich wurde das Bankgeheimnis praktisch aufgehoben. Durch das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit erhalten Finanzämter, Sozialbehörden und Polizei Zugriff auf rund 500 Millionen Konten und Depots. Immerhin müssen sie noch jeweils eine konkrete Anfrage stellen mit allem damit verbundenen Aufwand.
Dennoch beklagen sich Banken und Kunden über die Schnüffelei. Die Volksbank Raesfeld hat mit Rückendeckung des Bundesverbands der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) sogar Verfassungsbeschwerde erhoben. „Das unmerkliche Durchleuchten der Kontenstammdaten durch Finanzämter und Sozialbehörden greift tief in die Privatsphäre und die Grundrechte der Bürger, unserer Kunden, ein“, kritisiert BVR-Vorstandsmitglied Jochen Lehnhoff.
Dass die Maßnahmen fast ausschließlich dem Kampf gegen Steuerhinterziehung dienen und kaum etwas zur Terror- und Geldwäschebekämpfung beitragen, moniert der Zentrale Kreditausschuss, in dem die Verbände der Banken, Sparkassen und Volksbanken zusammengeschlossen sind. Bei 62.410 Kontoabfragen im vergangenen Jahr sei nur in einem Fall ein Konto ermittelt worden, dessen Inhaber unter Terrorverdacht stand.
In Großbritannien wird gerade ein ähnliches Abfragesystem wie in Deutschland eingeführt, vor allem um Geldflüsse Richtung Steueroasen wie Jersey zu verhindern. Überhaupt wird das Fahndungsnetz in Europa enger. Ausländische Banken müssen inzwischen die Zinseinnahmen, die deutsche Bürger im europäischen Ausland erzielen, an den deutschen Fiskus melden. Seit Februar 2006 können Fahnder ausländischer Behörden außerdem Informationen über Konten und Transaktionen eines Beschuldigten erhalten. Voraussetzung dafür ist, dass bereits ein Strafverfahren angelaufen ist.
International versucht seit 1989 eine „Financial Action Task Force“ bei der OECD Geldwäsche und Terrorfinanzierung zu bekämpfen. Sie ist allerdings ein zahnloser Tiger, unter anderem weil Transaktionen über Steueroasen kaum, oder wenn dann nur auf konkrete Anfrage, kontrolliert werden können. Die USA verschaffen sich daher lieber selbst Einblick. So müssen bei jeder Überweisung in die USA inzwischen genaue Angaben über Absender und Empfänger gemacht werden, erzählt ein Schweizer Banker, und auch der Kauf von US-Wertpapieren durch US-Bürger ist meldepflichtig: „Es wird immer schwieriger, etwas zu machen, ohne dass der Staat etwas mitbekommt.“ NICOLA LIEBERT