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Archiv-Artikel

Mit der Kraft der Gitarre

MALI Seit 2001 will man beim Festival au Désert daran glauben, dass ein Lied durchaus eine Brücke sein kann. Auf Einladung von Schlingensiefs Operndorf Afrika gastiert das Musikfestival nun in Berlin – erstmals „im Exil“

Festival au Désert

■ Zum Auftakt des „Festival au Désert“-Reigens im Berliner Exil am Mittwoch, 8. Januar, kann man sich im Babylon Mitte begucken, wie das Festival im Land selbst funktioniert. In „Woodstock in Timbuktu“ hat Désirée von Trotha das Festival von 2011 festgehalten, nach der Vorführung des Films gibt es ein Gespräch mit der Regisseurin, Manny Ansar, dem Leiter des Festivals, und Aino Laberenz vom Operndorf Afrika. 20 Uhr, Rosa-Luxemburg-Straße 30. Eintritt frei.

■ Am Donnerstag folgt in der Akademie der Künste am Pariser Platz um 18 Uhr ein Publikumsgespräch mit den Künstlern des Festivals, daran anschließend um 19 Uhr eine Podiumsdiskussion zum Thema „Jenseits von Klischees? Warum deutsch-afrikanischer Kulturdialog mehr bedeutet als Singen, Trommeln und Tanzen“. Eintritt frei.

■ Singen, Trommeln und wahrscheinlich doch auch Tanzen sind dann aber am Freitag überhaupt nicht die Nebensache beim Konzert in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz: es spielen das Orchestre Amanar de Kidal, Khaira Arby und als deutscher Beitrag der musikalischen Begegnung die Band Kante. 20 Uhr, Eintritt 16/12 Euro. Bei der Abschlussparty nebenan im Roten Salon ab 23 Uhr mit den Awesome Tapes from Africa heißt es wieder Eintritt frei.

VON THOMAS MAUCH

Vor Reisen nach Mali, liest man aktuell auf der Infoseite vom Auswärtigen Amt, wird weiterhin gewarnt. Mit Ausnahme der Hauptstadt Bamako. Allerdings wird auch von einer Reise dorthin abgeraten, wenn sie nicht unbedingt erforderlich sei. Und im Norden des Landes finden immer noch „vereinzelte militärische Kampfhandlungen“ statt.

Im Nordteil Malis liegt auch Timbuktu. Dort, in der Oasenstadt am südlichen Rand der Sahara, hätte in den nächsten Tagen das Festival au Désert stattfinden sollen. Es musste abgesagt werden. Die angespannte politische Lage in dem westafrikanischen Land betrifft ja am allerwenigsten die Touristen.

Dem Auswärtigen Amt wiederum ist es nun unter anderem zu verdanken, dass man das Musikfestival jetzt dennoch besuchen kann. Nicht in Mali, sondern erheblich ortsnäher und ohne lästige Erledigung von irgendwelchen Visumsangelegenheiten in Berlin: Auf Einladung von Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika und mit der Unterstützung von Auswärtigem Amt, dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem Goethe-Institut gastiert das Festival au Désert kommende Woche hier in der Stadt. Erstmals ist das Musikfestival, das sich seit 2001 zu einem der größten und bedeutendsten Westafrikas entwickelt hat, „im Exil“.

Drei Tage hat man so in Berlin die Gelegenheit, wenigstens eine Ahnung von der Bedeutung dieses Festivals zu erhaschen, bei dem über die Jahre im Norden Malis immer wieder neben Westtouristen und musikalischen Gästen wie Robert Plant mit seiner Led-Zeppelin-Prominenz oder Chris Eckman von den Walkabouts vor allem auch die heimischen Musiker zusammenfanden, die sich ansonsten eher kriegerisch belauerten in dem zerrütteten Land – weil ein Lied nicht nur im Schlager eine Brücke sein kann: Das Festival au Désert war (und ist) die Plattform, wo sich Mali nicht nur musikalisch traf.

Mit der Filmdokumentation „Woodstock in Timbuktu“ von Désirée von Trotha über das Festival 2011 kann man sich daran erinnern, es gibt Gesprächsrunden mit Musikern und Manny Ansar, dem Mitbegründer und Leiter des Festivals. Im Juni 2013 hat er in Genf den „Freemuse Award“ entgegengenommen, der dem Festival au Désert für die Verdienste um die Freiheit der Musik verliehen wurde.

Was alles nur wieder heißt, dass man Musik halt nie einfach so ohne die gesellschaftlichen Begleitumstände und politischen Implikationen bekommt. Nicht selten sind sie eben widrig. Aber es spricht gar nichts dagegen, am Konzertabend des Festivals am Freitag in der Volksbühne schlicht auf die Musik zu hören. Gerade auch der Indierock-Fan, der längst bemerkt hat, dass aus seiner Lieblingsmusik zuletzt irgendwie die Luft raus war, und der zum Trotz weiter an der Kraft der Gitarre festhalten will, kann sich dabei den Glauben an den Rock ’n’ Roll sichern.

Hypnotischer Wüstenblues

Halt ein afrikanisch geprägter Rock ’n’ Roll. Ein hypnotischer und sich in die Trance spielender Wüsten-Blues, wie man ihn in Berlin in den letzten Jahren immer wieder hören durfte, mit Tinariwen, den wahrscheinlich prominentesten Vertretern dieser von Gitarren angetriebenen Musik, mit Tamikrest, Etran Finatawa oder der Group Inerane. Allesamt Namen, die man sich durchaus mal merken kann. Mit den Beatles oder Beyoncé macht man das ja auch.

Spielen werden in der Volksbühne das Orchestre Amanar de Kidal und die Sängerin Khaira Arby, die „Queen of Desert Blues“. Als Dreingabe aus Deutschland gibt es Kante, zuletzt vor allem als Theatermusiker zu hören, die sich bei ihren neuesten Aufnahmen eben vom Sound der Wüstenrocker wie Tinariwen haben inspirieren lassen.