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Halbmond führt 1:0 gegen Judas

Die jüdische Kantorin Avitall Gerstetter hat ein interreligiöses Fußballturnier in Kreuzberg organisiert. Auch eine atheistische Mannschaft ist auf dem Platz

Fußball ist zurzeit allgegenwärtig. Nicht nur Menschen aller Nationen treffen sich bei der WM, auch die Grenzen der Religion werden überwunden. „Ich habe noch nichts gefunden, was eine ähnliche Wirkung hat“, sagt Avitall Gerstetter. „Ich habe es mit Gesprächen und Musik versucht, aber nichts funktioniert so gut wie Fußball, wenn es darum geht Menschen zusammenzubringen, die sonst wenig miteinander zu tun haben.“ Deshalb hat sie den Avitall-Cup initiiert. In diesem Wettbewerb traten gestern an der Ritterstraße in Kreuzberg eine jüdische, eine christliche, eine muslimische und eine atheistische Mannschaft gegeneinander ein.

Avitall Gerstetter versteht eigentlich wenig vom populärsten Ballsport. Als die erste Kantorin einer jüdischen Gemeinschaft in Deutschland im vergangenen Jahr aber auf der Suche nach Ideen für Begegnungsmodelle zwischen Juden, Christen und Muslime war, entdeckte sie durch Gespräche den Fußball. Sie organisierte ein erstes Spiel zwischen Juden und Muslimen. Angetan vom Erfolg lud sie nun mehrere Glaubensgemeinschaften zum Wettbewerb.

„Es war Fügung“, erzählt Gerstetter begeistert von ihrer Begegnung mit Murat Dogan. Beim Myfest in Kreuzberg hatte sie den Deutschtürken angesprochen, weil er ein Trikot des Berliner Oberligisten Türkiyemspor trug. „Ich habe sofort zugesagt“, erzählt Murat, der beim für die TS Allstars, die Muslimische Mannschaft mit dem blauen Trikots und den Halbmond, spielt. „Es ist wichtig bei so etwas mitzumachen“, sagt er.

Das sehen die Trojan Helmets auch so. Sie sind die „atheistische“ Mannschaft, die aus antirassistischen Skinheads besteht. „Wir wurden durch Zufall von Avitall angesprochen“ erzählt Michael Glozmann im roten Trikot. Auf die Rückseite hat er sich den Namen Judas drucken lassen, als „Anspielung“ auf den interreligiösen Hintergrund des Wettbewerbs. „Wir zeigen, dass Skins keine Rassisten sind“, sagt er noch bevor er auf dem Platz geht, wo er gegen die muslimische Mannschaft antreten wird.

Die jüdische Mannschaft hat Avitall über Plakate in der Gemeinde und der jüdischen Schule organisiert. „Wir mussten vielen absagen, weil zu viele mitmachen wollten“, erzählt Samuel Urbanic, einer der Spieler von „J Unit“. Die Mannschaft mit dem Judenstern auf der Brust tritt zunächst gegen die Christen an. Die tragen schwarze Trikots mit einem weißen Kreuz vorn.

„Die christliche Mannschaft war das Schwierigste“, erzählt Gerstetter. „Vielleicht ist es für die Mehrheitsgesellschaft einfach schwieriger, sich dem Sinn einer solchen Begegnung vorzustellen“, meint die Organisatorin. „Am Ende habe ich über Bekannte und Freunde eine christliche Mannschaft auf die Beine gebracht“, erzählt sie noch kurz bevor es mit dem Turnier losgeht. Das erste Tor schoss die muslimische Mannschaft, der gottlose Torwart hatte keine Chance.

Blas Urioste

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