: Ofenfrische Croissants aus China
Filialisten und Aufbackstationen haben viele Handwerksbäcker verdrängt. Doch mittlerweile fragen die Kunden verstärkt nach Qualität – und sind bereit dafür zu zahlen. Die Billiganbieter machen sich hingegen selbst Konkurrenz
„Nirgends in Deutschland gibt es einen so harten Konkurrenzkampf wie in Berlin“, sagt Nikolas Niebuhr. Er weiß, worauf er sich einlässt. Im Juli wird Niebuhr der neue Berliner Verkaufsleiter von Kamps, Deutschlands größtem Bäckereibetrieb. Allein in der Hauptstadt hat der Konzern 107 Filialen. Nach der Übernahme der Konkurrenzketten Thoben und Ostrowski waren es sogar 136, doch einige doppelte Standorte wurden geschlossen. Inzwischen sei Kamps aber wieder auf Expansionskurs, sagt Niebuhr.
Mit dem Aufstieg der großen Filialisten wie Kamps, Thürmann oder Steinecke sind die meisten kleinen Handwerksbäcker verschwunden. 580 Mitglieder zählte die Bäckerinnung 1990, derzeit sind es noch 113. Allerdings fand der Rückgang erstmals ein Ende. „Wir haben im letzten Jahr sogar vier neue Mitglieder dazubekommen“, sagt der Geschäftsführer der Bäckerinnung, Nikolaus Junker. „Das ist das erste Mal seit der Wiedervereinigung.“ Von einer Wende will er noch nicht sprechen, doch auch der Umsatz entwickelt sich positiv. Dabei handelt es sich um einen bundesweiten Trend. „Wir hatten im letzten Jahr erstmals seit langem wieder ein positives Ergebnis“, sagt Frank Rennebarth vom Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks. Zum ersten Mal seit 1999 gab es ein Plus von 1,1 Prozent.
„Der Markt hat sich in ein Premium- und ein Billigsegment aufgespalten“, erklärt Rennebarth. In einer ersten Panikreaktion hatten viele Bäcker versucht, durch den Einsatz von Fertigprodukten den Preiskampf mitzumachen. Darunter litt jedoch die Qualität. „Nun hat ein Umdenken eingesetzt“, sagt Rennebarth, „denn der Kunde muss den Unterschied merken, und das tut er nur, wenn der Bäcker selbst backt.“ Durch viele Aufbackstationen in Supermärkten oder Backshops wurde der Preiskampf weiter verschärft. „Die Discountanbieter kannibalisieren sich aber zunehmend selbst“, sagt Frank Rennebarth. „Der Wettbewerb hat in den letzten zwei Jahren extrem zugenommen“, bestätigt Anett Schnell. Die Bäckerei Schnell hat 36 Filialen in Berlin. Wie bei Kamps werden die Waren in einer zentralen Bäckerei in Berlin hergestellt. Brot und Kuchen kommen meist direkt in die Filialen, Schrippen und Croissants werden vor- und dann vor Ort fertig gebacken.
„Die Billigdiscounter backen dagegen nur auf“, sagt Nikolas Niebuhr. „Das wirkt erst frisch, aber nach einem halben Tag merken Sie den Unterschied.“ Die Teiglinge der Backshops kommen oft aus Osteuropa. „Manche Croissants werden sogar in China oder Vietnam hergestellt“, sagt Lars Siebert von der Bäckerinnung. Die genaue Herkunft ist meist nicht nachvollziehbar. „Jeder Arbeitslose sucht sein Heil im Brötchenverkaufen“, sagt Hans-Joachim Blauert, Obermeister der Berliner Bäckerinnung. „Wenn ein Geschäft leer steht, können sie drauf wetten, dass da demnächst ein Backshop aufmacht“.
Genaue Zahlen über die „Backwarenvertreiber“, wie sie Blauert abschätzig nennt, gibt es nicht. Meist sind sie als Kiosk, Café oder Lebensmittelladen registriert, trotzdem steht oft Bäckerei über der Tür. „So darf sich eigentlich nur nennen, wer in der Handwerksrolle eingetragen ist“, sagt Blauert. Doch die Verstöße werden von der Handwerkskammer in der Regel nicht geahndet. „Wir sind damit sehr unzufrieden“, sagt Blauert, „denn es wäre schön, wenn der Verbraucher nicht irregeführt wird.“
Der Kunde hat es in der Tat schwer herauszufinden, was aufgebacken, halb gebacken, aus Fertigmischungen oder noch komplett selbst hergestellt wurde. Annett Schnell beobachtet aber, dass das Interesse an der Herkunft spürbar steigt: „Immer mehr Leute fragen bei uns, wo die Sachen eigentlich herkommen.“ Oliver Voss