Das Siegerlachen

„Wer ein Lachen im Gesicht hat, kann nicht nervös sein“: Nationaltrainer Jürgen Klinsmann sieht sein Team für das Argentinien-Spiel gerüstet

AUS MÜNCHEN MARKUS VÖLKER

Manchmal ist Jürgen Klinsmann ein Kind. Vor dem Spiel am Samstag zum Beispiel. Dann ist er nicht mehr Trainer der Fußball-Nationalmannschaft, sondern ein Sechsjähriger. Einen Augenblick lang freute er sich ausgesprochen infantil aufs Achtelfinale gegen Schweden, wie ein Erstklässler auf das erste Fahrrad. Klinsmann, 41, griente beglückt und klatschte in die Patschehände. Das war ein Moment der Regression, sicher, aber auch ein Moment der Vorfreude. Er scheint gewusst zu haben, dass diese Partie so prickelnd werden würde wie ein Kindergeburtstag im Schwabenländle. Und tatsächlich: Es wurde ein Spiel, in dem er beschenkt wurde von Lukas Podolski und Miroslav Klose, von Michael Ballack und dem Rest der Mannschaft.

Der WM-Begleittross, der Fußballadel und all die großen und kleinen Putzerfischchen, gratulierten natürlich auch zum 2:0-Sieg gegen die Schweden und zum Einzug ins Viertelfinale gegen Argentinien. Sie sangen ihr Ständchen: Pelé („Man spürt dieser Mannschaft die Leidenschaft an“), Franz Beckenbauer („Ich habe selten eine so starke deutsche Mannschaft gesehen, vor allem in der ersten Halbzeit“) und Angela Merkel („Diese Mannschaft wird noch mehr schaffen“). Vom Kuchen sollten sich alle mal ein ordentliches Stück abschneiden, empfahl DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder; das ging an die Adresse der Bundesliga-Trainer, die sich genauer mit der „Fußballphilosophie von Klinsmann und Konsorten“ auseinander setzen sollten. Huldigungen also allerorten für das DFB-Team. So können sie Weltmeister werden, heißt es nun. Bevor es so weit ist, müssen Klinsmanns Kaderathleten allerdings noch drei Partien gewinnen. Nur noch drei.

Am Freitag spielt das DFB-Team im Viertelfinale also gegen Argentinien. Das Mexiko im Achtelfinale erst nach Verlängerung mit 2:1 geschlagen hat. Gut möglich, dass man den Bundestrainer wieder als bübischen Fußballfanatiker an der Seitenlinie sehen wird. Angst habe er vor dem Favoriten dieser Weltmeisterschaft ohnehin nicht, sagt er. „Wer ein Lachen im Gesicht hat, kann nicht nervös sein. Und die Jungs lachen sehr viel.“ Es soll in diesem Turnier noch sehr viel gefeixt werden, auch im Juli. „Eine Fußballnation wie Deutschland kann nicht zufrieden sein, wenn sie im Viertelfinale ausscheiden würde. Aber das wird sie nicht. Mit jedem Spiel wird unser Hunger größer“, sagt der Bundestrainer. Aus ihm spricht pure Überzeugung. Sein Credo: Die Mannschaft will, also kann sie auch. Sie spielt quasi Fußball des Willens. Sie hat perfekt ins Turnier gefunden, weil sie das Geschehen selbst bestimmt, Fakten schafft – und Tore. Der Masterplan von Klinsmann geht auf.

Alles funktioniert. Das Publikum lärmt, skandiert und grölt; bedingungslose Unterstützung nennt man das wohl, es inszeniert einen schwarzrotgoldenen Mummenschanz, der das Feuilleton gleich seitenweise füllt. Und auf dem Platz klappt es von Mal zu Mal besser. Klar, dass Klinsmann in so einer Situation sagt: „Es könnte nicht besser laufen für uns. Wir sind begeistert von der Mannschaft, wie sie sich reingespielt hat und top funktioniert.“ Ein bisschen unheimlich ist die Metamorphose der Klinsmannschaft freilich schon: Wie aus einer labilen jungen Mannschaft (1:4 in der Vorbereitung gegen Italien, schon vergessen?) eine schlagkräftige, vor Selbstbewusstsein strotzende Gruppe geworden ist, wie Klinsmann alles, aber auch alles gelingt und selbst der Gegner mitspielt? Man betrachte sich nur den verschossener Elfmeter durch den Schweden Henrik Larsson und eine äußerst fragwürdige gelb-rote Karte für Teddy Lucic, die für eine Überzahl an deutschen Kickern sorgte.

Wen man aus dem DFB-Team nach dem Spiel auch fragte, der verkündete: Es läuft. Michael Ballack zum Beispiel: „Wir haben sensationell gespielt und alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen haben. Es war wichtig, dass wir von Anfang an schnell ins Turnier gefunden haben und die tollen Fans uns angetrieben haben.“ Das Viertelfinale werde die Mannschaft schon schaukeln: „Argentinien ist im Moment der Favorit auf den Turniersieg, aber in unserer Verfassung brauchen wir uns vor keinem Gegner zu verstecken.“ Manager Oliver Bierhoff sieht die Deutschen gegen Argentinien im Vorteil: „Wir haben das Momentum“, sagte er. „Wenn wir weiterhin hinten so gut stehen, vorne passt es sowieso, dann werden wir Weltmeister“, behauptete Kehl. „Wir haben gezeigt, wo der Hammer hängt, und bekommen von Spiel zu Spiel immer mehr Sicherheit“, ergänzte Per Mertesacker. Der Steigerungslauf der deutschen Elf geht also weiter. „Ich freu mich drauf.“ Sagt Bundestrainer Jürgen Klinsmann. Es sind nur noch vier Tage bis zum nächsten Kindergeburtstag.