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Archiv-Artikel

Der Heide droht das Abstellgleis

Die niedersächsische Landesregierung will Verkehrsunternehmen verkaufen, um den Schuldenberg des Landes abzutragen. CDU und FDP formulieren weiche Konditionen, Grüne fordern nachhaltige Verkehrspolitik. Hamburger Hochbahn interessiert

von Gernot Knödler

Zwei große öffentliche Verkehrsunternehmen in Niedersachsen stehen vor der Privatisierung. Die CDU-FDP-Mehrheit im Landtag hat sich Ende vergangener Woche dafür ausgesprochen, die Anteile des Landes an der Osthannoverschen Eisenbahngesellschaft (OHE) zu verkaufen. Zusammen mit den Anteilen des Bundes und verschiedener Kommunen solle per förmlicher Ausschreibung ein neuer Mehrheitsaktionär für das Unternehmen gefunden werden. Wie bei der Debatte deutlich wurde, erwägt Finanzminister Hartmut Möllring (CDU) auch, den Mehrheitsanteil des Landes an den Eisenbahnen und Verkehrsbetrieben Elbe-Weser (EVB) abzustoßen.

Die OHE betreibt Buslinien und Bahnstrecken in Nordostniedersachsen. Sie gehört mehrheitlich dem Land und verschiedenen Kommunen. Ihr Verkauf ist im Landtag umstritten. „Beim letzten Plenum ist deutlich geworden, dass es der Landesregierung allein ums Kohle machen geht“, sagt der grüne Landtagsabgeordnete Enno Hagenah. Wenn das Land einem Investor ermögliche, die Anteilsmehrheit zu erwerben, verzichte es auf Steuerungsmöglichkeiten in der Verkehrspolitik. Die Grünen sähen es deshalb lieber, wenn benachbarte öffentliche Verkehrsunternehmen Anteile übernähmen. „Bei allen strukturellen Entscheidungen, die über das Alltagsgeschäft hinaus gehen, würde ich gerne die Bremer und die Üstra aus Hannover am Tisch haben“, sagt Hagenah.

Wie Hagenah sorgt sich Michael Frömming vom bahnfreundlichen Verkehrsclub Deutschland (VCD), dass sich ein privater Mehrheitseigentümer von derzeit unrentablen Teilen des Schienennetzes trennen könnte. Außerdem bestehe die Gefahr, dass sich mit fortschreitender Privatisierung des Bus- und Bahnverkehrs neue Monopole etablierten.

Dazu kommt die Sorge um die 1.200 Beschäftigten der OHE. „Jeder private Mehrheitsgesellschafter hätte sofort höhere Personalkosten als das Land, weil er die Altersvorsorge übernehmen müsste“, warnt Hagenah. Weil ein Unternehmen eher Pleite machen könne als das Land, würde die Versorgungskasse des Bundes und der Länder (VBL) einen Risiko-Zuschlag für das Versichern der OHE-Beschäftigten verlangen. Hagenah verweist auf die Erfahrungen mit dem Verkauf der Niedersächsischen Landesentwicklungsgesellschaft (Nileg). Knapp ein Jahr nach ihrer Privatisierung habe sie nur noch halb so viele Beschäftigte und der Unternehmenssitz liege nicht mehr im Land.

Wegen der vielfältigen Bedenken sprechen sich die Grünen dafür aus, die Mehrheit der Unternehmensanteile im Besitz der öffentlichen Hand zu belassen. Die SPD wie auch die Koalitionsfraktionen CDU und FDP haben Kriterien erarbeitet, an denen sich das Vergabeverfahren ausrichten soll. Den weiter gehenden Katalog der SPD schmetterte die Koalition ab. „Es gibt von allen Parteien die Forderung, man möge sich auch um das Streckennetz der OHE kümmern“, sagt der VCD-Mann Frömming. Was CDU und FDP hierzu forderten sei allerdings „wachsweich formuliert“. Dabei gebe es durchaus Strecken, die zwar heute schwach befahren seien, aber in der Zukunft durchaus bedeutend sein könnten.

CDU und FDP fordern, „die Infrastruktur für Teile des derzeitigen von der OHE betriebenen Streckennetzes zu erhalten“. Arbeitnehmerbelange sollen „im Rahmen des wirtschaftlich Vertretbaren“ geschützt werden. Die „wirtschaftlich bedeutendsten Geschäftsfelder“ seien „zumindest mittelfristig fortzuführen“. Die SPD fordert mittelfristig den Fortbestand des Konzerns „in seiner gegenwärtigen Gestalt“.

Dem VCD komme es vor allem darauf an, dass bestimmte Mindeststandards beim Streckennetz und im Umgang mit den Mitarbeitern erfüllt würden, sagt Frömming vom VCD. Wer auf den Strecken fahre, sei letztlich gleichgültig, sofern es nicht zu neuen Monopolen komme.

Ein nahe liegender Interessent für das Unternehmen ist die Hamburger Hochbahn, die mit der OHE bereits beim Bahn-Konkurrenten Metronom zusammenarbeitet. „Wir prüfen gerade das Angebot“, sagt Hochbahn-Sprecherin Tina Allerheiligen. Allerdings habe die Hochbahn noch nicht alle nötigen Unterlagen erhalten. Grundsätzlich sei man aber interessiert.