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Archiv-Artikel

Kraft ohne Know-how

Afrikanischen Fußballern mangelt es nicht an Potenzial – sondern an guten Trainern

BERLIN taz ■ Ist der Mann jetzt größenwahnsinnig geworden? „Ich glaube, wir können die Brasilianer schlagen“, sagte serbischer Ratomir Dujkovic, Trainer der ghanaischen Nationalmannschaft, vor dem Achtelfinale. Ganz unbegründet ist seine Zuversicht nicht: Immerhin gehörten acht seiner Spieler zu dem Team, das 2001 bei der U-20-Weltmeisterschaft Brasilien im Viertelfinale mit 2:1 aus dem Wettbewerb warf. Und das, obwohl bereits damals die in Brasiliens jetzigem WM-Kader aufgestellten Spieler Adriano, Kaka und Luisao dabei waren.

Entdeckt hatte die talentierten Spieler der ghanaische Trainer Emmanuel Afranie, der jedoch wegen der noch immer vorherrschenden Kolonialmetalität kaum eine Chance haben wird, die „Black Stars“ jemals zu einer WM zu begleiten. Im Zweifel – das hatte auch die kurz vor der WM 2002 vollzogene Verpflichtung des deutschen Trainers Winfried Schäfer für das Nationalteam Kameruns gezeigt – vertraut man in Afrika lieber europäischen Fußballlehrern. Selbst wenn sie nur mittelklassig sind.

In Ghana ist der Verschleiß an Nationaltrainern seit jeher groß gewesen. Erst Dujkovic – er ist seit 2004 im Amt – gestand man trotz des Scheiterns der „Black Stars“ bei der letzten Afrikameisterschaft eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem ghanaischen Nationalteam zu. Verglichen mit Henri Michel, dem Coach der Elfenbeinküste, hat Dujkovic einige Dinge besser gemacht: Denn obwohl die gegenüber Argentinien stark aufspielenden Ivorer letztlich an der völlig vernachlässigten Abwehr scheiterten, war Michel nicht in der Lage, bei den folgenden Spielen seine Taktik entsprechend umzustellen. Ganz anders Dujkovic: Nachdem die ghanaische Mannschaft gegen Italien 0:2 verloren hatten, sah man beim Spiel gegen Tschechien vor dem Tor der Ghanaer plötzlich eine dicht stehende Abwehr.

Was wäre nun, wenn ein Team wie die „Black Stars“ einmal von Weltklassetrainern wie Frank Rijkaard oder José Morinho trainiert würden? Also von überaus innovativen Fußballstrategen? Denn sogar die wegen ihres Prämienstreits verlachten Togolesen haben in der Vorrunde gezeigt, dass sie alles andere als Fallobst sind. Afrikanische Kicker wissen, wie hochklassiger Fußball gespielt wird. Trotz aller Niederlagen hat gerade diese WM gezeigt, über welche Technik, Kraft und taktisches Können die Afrikaner verfügen. Für den aktuellen Erfolg der „Black Stars“ förderlich war aber auch der Umstand, dass im Vorfeld der WM im ghanaischen Fußballverband sowie bei den Politikern des westafrikanischen Landes Egoismen und Korruption im Gegensatz zu anderen afrikanischen Fußballländern stark zurückgefahren wurden: Ein Prämienstreit wie bei den Togolesen, einer der üblichen Störfaktoren im afrikanischen Fußball, konnte vermieden werden. Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt John Agyekum Kufuor, Ghanas demokratisch gewählter Staatspräsident, der begriffen hat, wie nützlich positive Schlagzeilen für sein Land sind und der deshalb entsprechend auf den ghanaischen Fußballverband einwirkte.

Über eines kann man sich deshalb heute sicher sein: Wenn die „Black Stars“ gegen Brasilien antreten, dann zittert nicht nur ganz Ghana mit ihnen. Auch in Kamerun, Nigeria oder im Senegal wünscht man den schwarzen Fußballern den größtmöglichen Erfolg. Denn bei der WM geht es auch darum: Die viel zu lange missachteten, vielseitigen Fähigkeiten der bis in die Gegenwart diskriminierten Afrikaner endlich einmal auch international zu würdigen. EVA APRAKU

Eva Apraku, 47, ist Mitautorin des Buchs „Schwarze Sterne und Pharaonen – Der Aufstieg des afrikanischen Fußballs“