: Osttimors Premier tritt doch zurück
Mari Alkatiri gibt dem Druck nach und übernimmt damit die Verantwortung für die wochenlangen Unruhen in Dili. Seine Nachfolge ist noch nicht entschieden. Im Gespräch sind Nobelpreisträger José Ramos Horta oder dessen Ex-Frau Ana Pessoa
VON SVEN HANSEN
Osttimors umstrittener Premierminister Mari Alkatiri hat gestern seinen Rücktritt verkündet. In seinem Haus in Dili erklärte der von vielen für Osttimors Krise verantwortlich gemachte Politiker vor Journalisten: „Ich bin bereit, von meinem Posten als Premierminister zurückzutreten, um so den Rücktritt des Präsidenten zu verhindern.“ Der populäre Präsident Xanana Gusmão hatte selbst mit Rücktritt gedroht, sollte Alkatiri nicht abtreten. Am Abend meldete der australische Rundfunk ABC, Gusmão habe Alkatiris Rücktrittsgesuch umgehend angenommen.
Noch am Sonntag hatte Alkatiris Partei Fretilin, die 55 der 88 Parlamentssitze hält, ihm erneut das Vertrauen ausgesprochen und zugleich Gusmão zum Verbleib aufgefordert. Sie widersetzte sich damit wachsenden Protesten. Alkatiri war weiter unter Druck geraten, nachdem der Ex-Innenminister wegen Aufbaus von Todesschwadronen zur Ermordung von Gegnern verhaftet wurde. Alkatiri wird eine Beteiligung vorgeworfen.
Alkatiris Rücktritt wurde auf den Straßen der Hauptstadt Dili mit Hupkonzerten begrüßt. Auch gestern demonstrierten wieder mehrere hundert Menschen mit Lkw-Konvois gegen den Premier. Unklar blieb, warum Alkatiri sich gestern zum Rücktritt entschloss. Gerüchten zufolge wollten sieben Mitglieder seiner Regierung gestern ihren Rücktritt bekannt geben. Damit wäre sie handlungsunfähig geworden. Die Politiker hätten sich Außen- und Verteidigungsminister José Ramos Horta angeschlossen, der am Sonntag aus Verärgerung über Alkatiris Sturheit demissionierte und so den Druck auf ihn erhöhte. Als Friedensnobelpreisträger Ramos Horta gestern der Presse seine Motive erklären wollte, erreichte ihn ein Anruf aus Alkatiris Haus. Umgehend schickte er die Journalisten dorthin.
Ramos Horta gilt als Wunschkandidat westlicher Regierungen als Premier einer Übergangsregierung der nationalen Einheit. Ob es jetzt zur Bildung einer solchen kommt, ist noch offen. Bei der Sitzung des Fretilin-Zentralkomitees am Sonntag war Staatsministerin Ana Pessoa als Nachfolgerin Alkatiris gehandelt worden. Die Ex-Ehefrau von Ramos Horta gilt als Fretilin-Hardlinerin und war Alkatiris rechte Hand. „Pessoa wäre kein wirklicher Wechsel“, sagte gestern die Osttimorexpertin Monika Schlicher von der Berliner Menschenrechtsorganisation Watch Indonesia der taz. Schlicher erklärt das bisherige Taktieren der Fretilin mit der Angst vor dem Verlust von Pfründen.
Australiens Regierung begrüßte gestern Alkatiris Abgang. Er hatte sich gegenüber Canberra als zäher Verhandler erwiesen, als die Ölförderung in der Timorsee zwischen beiden Regierungen neu ausgehandelt wurde.
Osttimors Krise wurde durch die Entlassung von 600 Soldaten im März ausgelöst. Deren Proteste wurden im April gewalttätig und führten zum Auseinanderbrechen der Sicherheitskräfte. 30 Menschen starben, 130.000 flohen. Seit Ende Mai bemüht sich eine 2.500 Mann starke Interventionstruppe unter australischer Führung um Ruhe.