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Archiv-Artikel

Last-Minute war gestern

REISESCHNÄPPCHEN Der Wühltisch klappt zusammen: Veranstalter lenken Urlauberströme immer kurzfristiger um. Bei Island wird es eng

Last-Minute-Fans sind flexible Singles und Frührentner

VON KNUT DIERS

Die vierköpfige Familie steht mit gepackten Koffern am Flughafen und will ein Ticket nach irgendwo lösen, Hauptsache, es ist billig, und es geht sofort los. Diese Vorstellung von Last-Minute-Reisen gehört längst zur Geschichte. Gerade in diesem Jahr sind die Angebote für günstige Reisen selten geworden, die vier Wochen vor dem Abflugdatum liegen. In diesem Zeitraum gelten sie noch als „last minute“. Klaus Laepple, Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), dient als Totengräber. „Last Minute ist ganz klar out“, sagt er. Die Ursachen, warum der „Wühltisch der Reiseschnäppchen“ zusammenklappt, sind vielfältig.

Die großen Veranstalter wie TUI oder Thomas Cook, aber auch die kleineren müssen nicht mehr wie früher touristische Restposten kurz vor dem Sommer in Massen verhökern. Das geschah sonst, um sich Marktanteile zu sichern und das Passagiervolumen hochzuschrauben. „Heute können fast alle ihre Kontingente blitzschnell anpassen“, erläutert Torsten Schäfer vom DRV. In dem Verband sind die wichtigsten Reiseveranstalter und Reisebüros sowie ausländische Fremdenverkehrsämter versammelt. Bei Ausbruch der Krise in Griechenland, als Urlauber wegen kurzer Unruhen in Athen nicht mehr buchten, seien die Flugzeuge schnell in die Türkei und nach Ägypten umgeleitet worden, beschreibt Schäfer die Situation. Die Urlauberströme seien also von heute auf morgen zu verlagern.

Genauso werden jetzt, da die Nachfrage nach Urlaub weiter boomt, neue Kapazitäten eingekauft. Bereits Ende April lag das Buchungsplus der im DRV vereinten Veranstalter gegenüber dem Vorjahr bei 6 Prozent. Von gar zweistelligem Wachstum bei 19 Prozent spricht Thies Rheinsberg, Geschäftsführer von Wolters Reisen, bei Nordeuropa-Reisen. „Bei Island haben wir Probleme, die große Nachfrage überhaupt zu erfüllen“, berichtet Rheinsberg. Wolters müsse immer neue Reisen nachkaufen, da sei das Schnäppchen „Last Minute“ kaum noch ein Thema.

Überhaupt ist das Buchen in letzter Minute nicht unbedingt billig. „Wenn Sie mit dem Billigflieger morgen irgendwohin wollen, zahlen Sie den höchsten Preis“, stellt ein Sprecher von Ryanair klar. Spätbucher können kaum einschätzen, ob der Urlaub jetzt günstiger oder teurer ist, verglichen mit dem Preis, den Anfang des Jahres Frühbucher mit rund 30 Prozent Nachlass erhielten. Während nach Erkenntnis des DRV gerade in Deutschland der Anteil der Frühbucher von Jahr zu Jahr steigt, ging die Zahl der Last-Minute-Freunde von 23 Prozent aller Buchungen im Jahr 2008 auf 5 bis 10 Prozent in diesem Jahr zurück.

Das Klischee vom „Schnäppchen in letzter Minute“ stieß eine Untersuchung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg schon im vorigen Jahr um. Der kurzfristig entschlossene Urlauber zahlte im Mai und Juni 2009 rund 3 Prozent pro Person und Nacht mehr als im Jahr zuvor. Für einen siebentägigen Aufenthalt investierte er durchschnittlich 476 Euro pro Person. „Spätbucher sind Glücksspieler“, fasst das Roland Gassner vom GfK zusammen.

Gegen die Vorstellung, Last Minute sei billig, wendet sich auch DRV-Sprecher Torsten Schäfer. „Wer sich kurzfristig entscheiden muss, weil es sein Beruf so verlangt oder weil das Wetter hier gerade schlecht ist, muss mit einem höheren Preis rechnen“, meinte er. Wunschziel und bevorzugter Abflughafen seien vielleicht nicht mehr verfügbar. Die Gruppe der Last-Minute-Fans sei schwer zu beschreiben. Sie reicht vom flexiblen Single bis zum wärmebedürftigen Frührentner.

So werfen Verbraucherschützer bereits skeptische Blicke auf die aktuellen Angebote der Veranstalter, die sich auch im Internet unter www.lastminute.de oder www.5vorflug.de einfinden. Mindestens 15 Prozent sollte der Preis unter dem im Katalog liegen, alles andere sei Etikettenschwindel, sagte ein Sprecher der Verbraucherzentrale Berlin. Viele Schnäppchen seien nur deshalb welche, weil das Leistungsangebot nicht mehr stimme, warnte er. „Persönliche Wünsche sollte jeder ansprechen und sich genau alle Details des Hotels und der Reise erläutern lassen“, betonte der Sprecher. „Auch Kurzentschlossene haben das Recht auf Reklamation und können den Reisevertrag kündigen.“

So gehört der Sicherungsschein, der Touristen vor einer Pleite des Veranstalters schützt, auch zur Last-Minute-Reise. Er ist auf der Rückseite der Reisebestätigung zu finden. Hat der Kunde Zweifel, kann er den genannten Versicherer anrufen und nachfragen, ob der Veranstalter dort tatsächlich versichert ist. Bezahlt werden sollte erst, wenn der Sicherungsschein vorliege.