: berliner szenen Fußball und Börse
Mein geheimer Schatz
Die Ball-Street öffnet um neun und schließt um 21 Uhr. Sie handelt im Internet auf www.ball-street.manager-magazin.de mit virtuellen Aktien der Länder, die bei der WM beteiligt sind. Jeder Teilnehmer bekam anfangs 100.000 Einheiten. Es geht darum, sie durch geschickten Handel zu vermehren. Zum Start kostete jede Aktie 25 Einheiten. Die Aktien der Länder, die nach der Vorrunde ausgeschieden waren, wurden von der virtuellen Bank, hinter der mit der Dresdner Bank eine echte steht, für 25 Einheiten zurückgekauft.
Leider war ich erst eingestiegen, als die Aktien der Favoriten schon über 100 Einheiten kosteten. Anfangs war ich an Platz 6.144 und arbeitete mich langsam voran. Das Spiel, bei dem unter den besten 500 am Ende Preise verlost werden, machte mich süchtig und versetzte mich ständig in ungute Aufregung. Als hypnotisierter Voyeur starrte ich auf die Zahlen, die sich veränderten, und arbeitete manchmal eine Stunde, um 6,39 virtuelle Muscheln zu verdienen. Die Vermehrung von Zahlen hat etwas Pornografisches, fahrlässig spielt man mit Verlustängsten. Eine Zigarettenlänge lang will man handeln, bleibt eine Schachtel, verliert ein bisschen und riskiert dann extra viel.
Die vergebliche Arbeit an der Vermehrung meiner Einheiten, die ich im Geheimen betrieb, verminderte das Vergnügen am Gucken der Spiele im Öffentlichen. Manchmal fuhr ich hastig in der Halbzeitpause nach Hause, um fallende Aktien zu verkaufen. Ein Teil in mir war Verräter und hoffte auf Ergebnisse, die meinem Herzen widersprachen. Die Besten in der Konkurrenz waren richtig gut, nur mussten sie während der Spiele am Computer sitzen, um aus den Kursschwankungen optimale Gewinne herauszuholen. DETLEF KUHLBRODT