: Er will ganz lange lutschen
Das italienische Sexsymbol Francesco Totti schießt sein Team per Elfmeter ins Viertelfinale – und redet schon vom Finale
aus KAISERSLAUTERNANDREAS MORBACH
Ein Totti ist ein Totti ist ein Totti. Und deshalb sollte der Elfmeter, den der spanische Schiedsrichter Luis Medina Cantalejo den Italienern in Kaiserslautern kurz vor der drohenden Verlängerung geschenkt hatte, auch nicht irgendein Elfmeter sein. Sondern ein Totti-Elfmeter. So einer, wie bei der EM vor sechs Jahren, als er den Ball über den am Boden liegenden Oranje-Keeper Edwin van der Sar ins Tor lupfte. Im Halbfinale, im Elfmeterschießen.
Man kann von dem selbstverliebten Rüpel Francesco Totti also halten, was man will – das unumstrittene Sexsymbol des italienischen Fußballs ist auf jeden Fall ziemlich cool. Deshalb stand der 29-Jährige in der 95. Minute des WM-Achtelfinals gegen Australien auch wieder mit hinterlistigem Gedankengut am Elfmeterpunkt. „Ich habe an einen Lupfer gedacht, aber das war mir zu heiß“, erzählte Totti später. Und so wurde es ein eiskalter und unhaltbarer Schuss links oben in den Torwinkel.
„Ich war ganz ruhig“, behauptete der Mann vom AS Rom, nachdem er die Squadra Azzurra ins WM-Viertelfinale gegen die Ukraine geschossen hatte. Und das war keine Lüge. Denn während Totti beängstigend ruhig zum weißen Kreidepunkt schritt, bewies Gianluigi Buffon, warum er für solche Situationen komplett ungeeignet wäre: Italiens Nationalkeeper wandte sich mit Grausen ab, als Totti anlief. „Ich hatte nicht den Mut, zuzuschauen“, gestand Buffon später. „Aber nicht, weil ich kein Vertrauen in Totti habe, sondern weil ich so furchtbar nervös war.“
Die Szenen aus dem Achtelfinale der WM 2002 seien ihm plötzlich durch den Kopf geschossen, erzählte der Schlussmann von Juventus Turin. Vor vier Jahren scheiterten die Italiener nach einigen fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen an Südkorea. Und der Mann, der damals auf Seiten der Italiener vom Platz gestellt wurde, hätte mindestens genauso viel Grund für ein paar dunkle Gedanken an 2002 gehabt wie Buffon. Sein Name: Francesco Totti.
Ganz Fußball-Italien stöhnte verzweifelt auf, als sich Totti im Februar das Wadenbein brach und sein Einsatz bei der WM in weite Ferne rückte. Doch der kraftvolle Mittelfeldspieler arbeitete sich wieder in WM-Form – zumindest fast. Der Grad von Tottis Fitness ist seit Wochen eines der zentralen Themen im italienischen Nationalteam. Vor dem Achtelfinale gegen Australien beantwortete Marcello Lippi die Fitness-Frage sehr eindeutig, indem er Totti auf die Bank setzte. „Er sah beim letzten Gruppenspiel gegen Tschechien sehr, sehr müde aus. Deshalb habe ich ihn draußen gelassen“, erklärte Lippi seine Maßnahme trocken.
Doch als er ihn nach 75 Minuten für den enttäuschenden Alessandro del Piero einwechselte, brachten allein Tottis Anwesenheit, noch mehr aber seine drangvollen Aktionen die Abwehr der Australier in große Verlegenheit. Die Last der Roten Karte von 2002 hatte der Römer offensichtlich ebenso abgelegt wie die Spuckattacke gegen den Dänen Christian Poulsen bei der EM 2004, die Tottis Ruf als Fußball-Rowdy weiter genährt hatte.
Doch er scheint sich mittlerweile besser im Griff zu haben. Der Gewandelte widmete sein wertvolles Tor brav seiner Frau Ilary und dem wenige Monate alten Sohnemann Cristian. Im vergangenen Juni haben die 25-jährige Ilary Blasi und Totti in Rom geheiratet. Das italienische Fernsehen berichtete live, die halbe Stadt musste wegen der Trauung abgesperrt werden. Ilary Blasi stieg durch die Verbindung mit Totti rasch vom TV-Showgirl zur TV-Moderatorin auf – und auch der Fußball-Schönling profitierte von der neuen Liaison.
Jahrelang hatten die italienischen Medien Witze über den einfältigen Totti gemacht, doch der reagierte nun. Er brachte ein Buch mit Witzen über sich selbst heraus. Inzwischen liegt bereits der zweite Band vor, und Gattin Ilary macht bei dem selbstironischen Konter ihres Mannes als Fragestellerin sogar mit. Totti legt sich in den Büchlein dann immer dümmliche Antworten in den Mund, kein Witz war allerdings seine Aussage nach dem Sieg über die Australier. „Wir haben“, verkündete Francesco Totti da, „die richtige Mentalität, um hier ganz lange dabei zu sein.“ Was so viel heißen sollte wie: bis zum Finale am 9. Juli in Berlin.