: Kleine Reform der Föderalismusreform
Neues Blockademittel soll verhindert werden. SPD-Bildungspolitiker glücklich mit Kooperationsrecht bei Hochschulen
BERLIN taz ■ Es ist ein einziger Verfassungsartikel. 104 a Grundgesetz. Er handelt nicht mal konkret von Hochschulfinanzierung oder Naturschutz, aber er könnte bewirken, dass in ein paar Jahren die Gemeinschaftskunde-Lehrer sagen: Guckt mal, da haben sie 2006 diese Riesenreform mit Zirkus und Gezanke gemacht, damit der Bundesrat den Bundestag nicht mehr so oft blockieren kann – und heute blockiert er ihn genauso wirksam.
Der 104 a soll Vetorechte der Länder gegen Bundesgesetze regeln. Bisher können sie über den Bundesrat immer Nein sagen, wenn sie ein Bundesgesetz verwaltungstechnisch ausführen mussten. Das ist ziemlich oft der Fall. Künftig sollte stattdessen ein Länder-Nein möglich sein, wenn ein Bundesgesetz die Länder verpflichtet, Geld- oder Sachleistungen zu erbringen. Aber auch das kommt häufig vor. Deshalb haben Experten geunkt, hier würden alte Blockadeinstrumente durch neue ersetzt. Zumal das Nein sogar möglich sein sollte, wenn das Geld eigentlich komplett aus Berlin oder Brüssel kommt und die Länder es nur auszahlen.
Wenige Tage vor der Verabschiedung der Verfassungsänderung sind die Berliner Koalitionspartner noch einmal an den 104 a rangegangen. Jetzt ist präzisiert, dass die Länder nur Nein sagen dürfen, wenn ihnen ein Gesetz Ausgaben aus dem eigenen Etat aufbürdet. In einer Erklärung, die der Bundestag am Freitag im Paket mit der Verfassungsreform verabschieden soll, heißt es: Leistungen, die nicht durch Länderhaushalte, sondern „vollständig“ aus anderen Quellen finanziert würden, berechtigten die Länder nicht zu einem Vetorecht. Allerdings: Wenn ein Land Leistungen nicht „vollständig“, sondern nur teils aus eigenem Etat zahlt, darf es schon wieder blockieren.
„Das ist für mich ein offener Punkt, ob dieser Artikel nicht das zentrale Ziel der Reform wieder aushebelt“, sagte die SPD-Politikerin Ulla Burchardt gestern. Die Chefin des Bildungsausschusses im Bundestag ist eine der frechsten ReformkritikerInnen. Voraussichtlich wird sie jetzt trotzdem zustimmen. Das liegt daran, dass in der Hochschulpolitik ebenfalls etwas geändert wurde.
Eigentlich sollte die Bildung reine Ländersache werden. Jetzt dürfen Bund und Länder kooperieren, der Bund darf Bildungsprojekte finanzieren – und zwar bei „Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen“. Da Wissenschaft aus Forschung und Lehre besteht, heißt das: Der Bund kann auch die Lehre fördern – was wegen des zu erwartenden Ansturms von Studierenden viele Bildungspolitiker fordern. „Ein ganz großer Erfolg“, jubelte gestern die SPD-Bildungscombo um Ulla Burchardt.
Auf Länderseite erklärte Baden-Württembergs Günther Oettinger (CDU), man sei dem Bund „bis zur Schmerzgrenze entgegengekommen“. Aber auch die Bildungspolitiker von SPD – und FDP – ächzen: Beim Schulwesen darf der Bund keine Förderprogramme spendieren. Und jeder Hochschul-Kooperation werden alle Länder zustimmen müssen. „Das erregt Misstrauen, dass eine neue Blockademöglichkeit eingebaut werden soll“, sagte Burchardt. GEORG LÖWISCH