betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Es steht ja inzwischen sogar im Koalitionsvertrag: Computerspiele sind Kulturgut. Die Romane des 21. Jahrhunderts sozusagen. Das Theater hat schon längst begonnen, Erzähltechniken der Games für sich zu entdecken. Am Donnerstag kommt mit „Herakles.biz“ ein Stück heraus, das sich als Theaterproduktion „an der Schnittstelle von Bühne und Computerrollenspielen“ versteht. Um nach den Grenzen des Menschen im Neoliberalismus zu fragen, wird das antike Kraftpaket ins 21. Jahrhundert katapultiert. Aus dem Krieger ist ein Hedgefondsmanager geworden, der nun auf den Hindernisparcours geschickt wird. Vorbilder für das Team um den Regisseur Rolf Kasteleiner sind die Welten, die in Videospielen wie „Skyrim“, „Metro“ oder „Stalker“ erschaffen werden. Schauspieler werden an diesem Abend zu „Non Playing Characters“, die Herakles durch seine Aufgaben führen. Den Joystick aber, also die Regie, halten die Zuschauer in der Hand. Wie das funktioniert? Hingehen und mitspielen! (Brunnenstr. 70: „Herakles.biz“, 9., 10. und 11. 1., jeweils 21 Uhr. Wegen begrenzter Teilnehmerzahl ist Anmeldung erforderlich: info@lapama.net).

Partizipation ist das Zauberwort, das die Erzähltechniken der Games so attraktiv für das Theater macht! Aber das Wort meint natürlich viel mehr: unter anderem die Frage, an wen ist das Angebot der Hochkultur adressiert? Was ist mit Menschen, die nicht den Vorstellungen entsprechen, die sich die Mainstreamgesellschaft vom Bürgertum macht, als dessen Paradepferd das Theater immer noch durch die Manege der sogenannten Leitkultur stolziert? Zumindest macht man sich dort jedoch langsam Gedanken: „Mind the Gap“ heißt eine Konferenz, die das Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim (übrigens eine Kaderschmiede des Performernachwuchses der Freien Szene) entwickelt hat und nun in Kooperation mit der Kulturloge Berlin im Deutschen Theater abhält. Die Kulturloge ist eine Organisation, die Menschen und Familien mit geringem Einkommen oder geistiger und/oder körperlicher Beeinträchtigung ermöglicht, kulturelle Veranstaltungen zu besuchen, und sich auch dem Abbau anderweitiger Barrieren vor dem Kulturangebot gewidmet hat. (Deutsches Theater: „Mind the Gap“, 9. 1., 13.30– 22 Uhr und 10. 1., 9.30–15.30 Uhr. Mehr Infos: www.kulturloge-berlin.de).

Und am Ballhaus Naunynstraße schließlich, wo man schon lange und ziemlich erfolgreich an der Unterwanderung der Zugangsbarrieren der Leitkultur arbeitet, werden vom 10. bis 12. Januar die Ergebnisse der postmigrantischen Literaturwerkstatt „RAUŞ – Neue Deutsche Stücke“ in szenischen Lesungen präsentiert.