: Nur Berlin kann sich das leisten
MUTMACHERMODE Die am Mittwoch beginnende Fashion Week Berlin hilft, den Glauben an den Modestandort Berlin nicht zu verlieren. Ein Rundgang bei den jungen Designern zwischen Torstraße und Bebelplatz
VON DIANA WEISS
Wenn die Berliner Fashion Week am Mittwoch beginnt, geht sie in ihre siebte Saison. Dabei sah es mit dem Modestandort Berlin lange Zeit nicht gut aus. Erst im letzten Jahr holte Klaus Wowereit die zwischenzeitlich nach Barcelona abgewanderte Bread & Butter wieder als Zugpferd an die Spree zurück, indem er der Modemesse großzügige Nutzungsrechte für das ehemalige Flughafengelände Tempelhof zusicherte. Die Empörung der Opposition, die den Coup begleitete, zeigt, welch stiefkindliche Position der Mode als Wirtschaftsfaktor in Deutschland zugewiesen wird.
Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich, England oder Italien hat die Modeindustrie in Deutschland keine Tradition. Dafür hat Berlin den Ruf eines Abenteuerspielplatzes für Kreative. Aber junge Designer können oft weder die horrenden Standmieten der großen Messen zahlen, noch wollen sie deren auf ein Massenpublikum ausgerichteten Geschmack bedienen.
„Kommerziell über Jahre nicht erfolgreich zu sein können sich eben nur die Berliner leisten“, meint daher Sven Krüger, der seit Juli 2007 den Projektgalerie Showroom organisiert. Abseits des piekfeinen Bebelplatzes präsentiert er avantgardistisches Design in Galerieräumen an der Torstraße. Entstanden sei das Konzept eher zufällig, sagt Krüger: „Damals war die Gegend noch nicht so snobby, und wir konnten die meisten Locations für lau haben.“ Mittlerweile aber habe die Torstraße einen erheblichen „Coolheitsfaktor“, freut er sich und verweist auf die vielen schicken Boutiquen, die sich jetzt auf dem Abschnitt zwischen Rosa-Luxemburg- und Rosenthaler Platz drängeln.
Die Einkäufer und das Nachtleben
Nur ein paar Schritte weiter, in einem futuristischen schwarzen Neubau, veranstaltet Arne Eberle in dieser Saison zum ersten Mal den Collect-Showroom, in dem sich exklusive unabhängige Labels wie Fay Alice, Mono.Gramm oder Esther Perbandt zum Selbstkostenpreis präsentieren. „Durch den Zusammenschluss mehrerer Labels können wir mehr erreichen denn als Einzelkämpfer“, erklärt Eberle das Kollektivkonzept.
Ein Grundproblem der Berliner Modewoche bleibe allerdings der frühe Termin im Juli, sagt Eberle. Viele Einkäufer würden die Berliner Fashion Week nur als Vorwand nutzen, sich ins berüchtigte Nachtleben zu stürzen. Die großen Geschäfte würden dann anderswo gemacht, in Paris oder London.
Solche Probleme hindern die Designerinnen Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl nicht daran, an den Modestandort Berlin zu glauben. Nur einen Steinwurf von der Torstraße entfernt, in der Linienstraße, befindet sich der erst kürzlich eröffnete Store ihres Labels Kaviar Gauche. „Wir haben die Kraft des deutschen Marktes gespürt“, erzählt Fischer-Roehler. 2007 wurden Kaviar Gauche auf der ersten Berliner Fashion Week mit einem Förderpreis ausgezeichnet, seit 2009 zeigen sie ihre Kollektion ganz offiziell im Zelt auf dem Bebelplatz. Trotzdem ist die Designerin sich nicht sicher, ob ihr Label die ersten Jahre ohne die niedrigen Berliner Mieten überlebt hätte. Mode sei eben auch ein Geschäft, und neben Talent und Kreativität benötige man dafür vor allem „einen Bezug zu Geld“.
Fünf Jahre ohne Verdienst
Dass man mit Mode in Berlin selten reich wird, bestätigt auch Franziska Schreiber, die als ein Viertel des Pulver-Kollektivs international durchaus beachtliche Erfolge erzielte und damit ebenso wie Kaviar Gauche als Berliner Vorzeigelabel galt. Trotzdem löste sich Pulver im Mai 2009 auf, weil die Kluft zwischen Einsatz und Einkommen auf die Dauer unüberbrückbar blieb. „Wir haben fünf Jahre lang praktisch ohne Verdienst gearbeitet“, erzählt Schreiber, die ihre Kollektionen stets mit Einnahmen aus Nebenjobs finanzieren musste. Seither macht sie Entwürfe für andere Labels und empfindet es als „unglaubliche Befreiung, endlich diese Verantwortung los zu sein“.
Einen anderen Weg geht Claudia Fauth, die die Entwürfe ihres Kleinstlabels I Like Bunnies ausschließlich über das Internet vertreibt. „Alles selbst ausgedacht, konstruiert und genäht“, erzählt sie stolz. Produziert werde auf Bestellung, das erspare Lagerplatz und mache es möglich, auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. Die Entscheidung sei ganz pragmatisch gefällt worden: „Ich wollte in Berlin bleiben und selbstständig arbeiten“, erklärt Fauth. Natürlich sei das „Selbstausbeutung“, räumt sie ein, „aber es fühlt sich gut an.“ Torstraße, Bebelplatz und Tempelhof wird sie in den kommenden Tagen eher meiden. Mode als Zirkus hat weder in ihrem Leben noch in ihrer Arbeit einen Platz.
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