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Archiv-Artikel

„Politische Korrektheit zur Seite wischen“

AUSTRALIEN Die neue Premierministerin Julia Gillard verschärft die Flüchtlingspolitik. Sogenannte Boat People sollen künftig in einem Lager etwa in Osttimor auf die Bearbeitung ihres Asylantrags warten

AUS CANBERRA URS WÄLTERLIN

Premierministerin Julia Gillard will sogenannte Boat People, die über Indonesien nach Australien fliehen, künftig wieder in ein Drittland schicken. In Osttimor oder Papua Neuguinea sollen sie in Lagern darauf warten, ob Australien sie aufnimmt, so Gillard am Dienstag. Doch Osttimors Regierung gab derweil bekannt, dafür „noch nicht bereit“ zu sein.

Gillard will nach eigenen Angaben verhindern, dass Flüchtlinge „überhaupt in ein Boot steigen“. Etwa 6.000 Männer, Frauen und Kinder versuchen pro Jahr mit Hilfe von Menschenschleppern an Australiens Nordküste zu gelangen. Immer wieder kentern Boote und ertrinken Flüchtlinge. Asylsuchende, die von Australiens Marine aufgegriffen werden, müssen in einem Lager auf der Weihnachtsinsel südlich der indonesischen Insel Java auf einen Entscheid warten. Die meisten der mehrheitlich aus Afghanistan, Irak und Sri Lanka stammenden Asylsuchenden werden schließlich als Flüchtlinge anerkannt.

Vertreter humanitärer Organisationen reagierten mit Skepsis auf Gillards neue Politik. Sie fühlen sich an die Politik des konservativen Premiers John Howard (1996–2007) erinnert, der tausende meist muslimische Flüchtlinge zum Teil Jahre unter inhumanen Bedingungen auf abgelegenen Pazifikinseln auf Entscheide warten ließ. Die Vereinten Nationen kritisierten die als „Pazifische Lösung“ bekannte Praxis damals als grausam und rassistisch. Gillard griff jetzt solchen Vorwürfen vor und meinte, „eine klare und starke Politik zu haben, macht einen nicht zum Rassisten“. Sie wolle „politische Korrektheit zur Seite wischen“ und eine Debatte zum Thema Boat People haben.

Gillards harte Linie schockierte ihre Anhänger. Bisher galt sie als „Linke“ mit „einer sehr sozialen Ader“. Die Premierministerin appelliere im Vorfeld der Wahlen an die wachsende Zahl von Australiern, für die Bootsflüchtlinge eine Art politisches „rotes Tuch“ sind. Kaum ein Thema heizt die Emotionen der Australierinnen und Australier so an wie dieses. Dabei versuchten 2010 gerade mal 3.500 Menschen per Boot nach Australien zu gelangen. Die irrationale Angst nutzen Politiker, um Stimmen zu gewinnen. Die oppositionellen Konservativen wollen Flüchtlingsboote direkt zurück nach Indonesien schicken.

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