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Archiv-Artikel

HAMBURGER SZENE VON MAXIMILIAN PROBST Siehst du: Kunst

Kunst solle verunsichern, Fragen aufwerfen, sagt der Reifenwerfer. Kunst sei auch ein Wagnis, ein Wurf, ganz wörtlich

Nachts, eine belanglose Straßenkreuzung im gelben Licht der Laterne, ein Ort, an dem sich vielleicht mal Freunde treffen, und noch wohin wollen, oder mit kurzer Umarmung voneinander scheiden.

Eine Besonderheit hat die Kreuzung allerdings: es hängt ein Fahrradmantel hoch oben an der Laterne. Wie kommt denn der da hin, fragt einer und gähnt.

An der nächsten Kreuzung weiß ich es. Ein Mann bemüht sich dort, einen weiteren Fahrradmantel über die gebogene Laterne zu werfen. Ich frage wozu, er sagt: Kunst.

Kunst? Ich reibe mir die Augen, es ist schon spät. Ja, Kunst. Intervention in den öffentlichen Raum und so. Kunst soll verunsichern, Fragen aufwerfen, und wenn jetzt plötzlich so ein Reifen über der Laterne hängt, da will man doch wissen, wie ist der da rübergekommen – und was soll das überhaupt?

Ja, sag ich, vor allem letzteres, das frage ich mich auch. Siehst du, sagt er: Kunst. Und noch was: Kunst ist auch ein Wagnis, ein Wurf, das nehm ich ganz wörtlich, siehst du, sagt er, und wirft, verfehlt aber sein Ziel, der Mantel klatscht auf den Asphalt. Naja, du weißt schon, Inspiration: Ich spür einfach, dass ich es tun muss, und dann tue ich es …

Klar kenne ich das, sagte ich, verschwieg aber woher: vom Harndrang, der mich gleich darauf und ob ich’s wollte oder nicht vom Ort und Künstler forttrieb.