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Archiv-Artikel

Kämpfer gegen die Großen

ZWISCHENBILANZ Dass Schleswig-Holstein bei Google Streetview kaum auftaucht, ist Thilo Weichert zu verdanken. Der Chef des „Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz“ legt sich gern mit den Großen an, seine langjährigen Auseinandersetzungen mit Facebook und Google sind bundesweit bekannt. Doch wie ist der Stand der Dinge?

Zentrale Einkommenssteuer:

Die Daten aller abhängig Beschäftigten an einem Ort – das Projekt „Elena“ sollte Bürokratie verringern. Doch Datenschützern grauste es beim Gedanken, dass Name, Adresse, Entgelt, Steuerklasse, Sozialbeiträge, Arbeits- und Fehlzeiten, Kündigungen und deren Grund, Betriebsratstätigkeit oder Teilnahme an Streiks gemeinsam gespeichert wurden. „Technisch könnte die Sammelstelle jederzeit auf die Daten zugreifen“, warnte Weichert 2009 in der taz. „Elena“ wurde nach Protesten und Prozessen nicht eingeführt – ein Sieg für die Datenschützer.

Rezeptdaten-Sammlung:

Wer in der Apotheke Viagra oder Antidepressiva kauft, rechnet auf Verschwiegenheit. Weichert kritisierte aber im Sommer, dass Rezeptdaten an „Bedarfsträger in der Wirtschaft“, sprich Firmen, verkauft würden. Im November siegte das Münchener Apothekenrechenzentrum VSA vor dem Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein. Weichert darf demnach seine Äußerungen nicht aufrecht erhalten. Der Fall liegt nun beim Oberverwaltungsgericht.

Hausärztliche Versorgung:

Der Onkel Doktor, der das ganze Leben von den Kinderkrankheiten bis zur Demenz begleitet – schön. Doch aus der Idee, die Rolle des Hausarztes im Gesundheitssystem zu stärken, wurde ein neues Bürokratiemonster, Datenschutz: Fehlanzeige. Das Patientengeheimnis sei nicht mehr gewahrt, mahnte Weichert, Krankenkassen erhielten mehr Daten als gesetzlich erlaubt. Zudem sei „systembedingt eine Diskriminierung von nicht rentablen Patientinnen und Patienten möglich“. Das Oberverwaltungsgericht gab ihm 2011 Recht: Das geplante Verfahren war unzulässig.

Google Streetview:

Die Welt sehen, ohne den heimischen Rechner zu verlassen: Das verspricht der Google-Dienst Streetview. Dem Gemeinderat von Molfsee bei Kiel fielen da noch andere Nutzungen ein. Einbrecher könnten nach blickgeschützten Terrassentüren spähen, zufällig Abgelichtete könnten auf alle Ewigkeit in peinlichen Posen festgebannt sein. Weichert unterstützte das Dorf im Kampf gegen Google. 2008 knickte das Unternehmen ein. Das jetzige Verfahren ist mit dem Datenschutz abgestimmt, in Schleswig-Holstein widersprachen zahlreiche Orte. Nicht ganz so erfolgreich verlief der Streit um das Google-Tool Analytics. Auch hier besserte Google nach, laut Weichert aber nicht ausreichend.

Facebook-Fanseiten:

Für den Kampf um den „Like“-Button sah der Datenschützer aus Schleswig-Holstein nicht nur hochgereckte Daumen: Weichert führe eine „Fehde“ gegen Facebook und schade den Unternehmen im Land, kritisierte unter anderem der CDU-Landtagsabgeordnete Axel Bernstein. Seit 2011 läuft der Streit, in dem Weichert Firmen und Behörden in Schleswig-Holstein aufforderte, Facebook-Verknüpfungen auf ihren Seiten zu löschen. Denn jeder Klick auf den „Like“-Button wird gespeichert, Facebook kann daraus Profile erstellen, die Vorlieben und Abneigungen verraten. In einem Musterverfahren wollte das Datenschutzzentrum klären, ob deutsche Firmen mitverantwortlich zu machen sind, wenn ausländische Anbieter etwas tun, das nach deutschem Datenschutzrecht unzulässig wäre. Im vergangenen Jahr verlor Weichert vor dem Verwaltungsgericht in Schleswig. Der Revisionsprozess steht noch aus, der Datenschützer hofft auf einen Sieg.

Pflicht zu Klarnamen:

In sozialen Netzwerken wie Facebook als Donald Duck oder Kaiserin Sissi aufzutreten, schützt die eigene Anonymität – das ist aber nicht das, was die Dienste wollen. Daher verbieten sie Decknamen in den Profilen. Die Kieler Datenschützer gingen dagegen an: Nach deutschem Recht bestehe die Pflicht zum Klarnamen nur im Binnenverkehr zwischen Anbieter und Kunde, nicht aber auf öffentlich sichtbaren Seiten. Im vergangenen Februar gab ein Gericht Facebook Recht: Klarnamen sind weiter Pflicht. Auch hier läuft ein Verfahren in zweiter Instanz, bei dem es um die Grundsatzfrage geht, welches Schutzrecht gilt, wenn die Daten von Bürgern eines Landes in einem anderen verarbeitet oder verwaltet werden.  ESTHER GEISSLINGER