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Archiv-Artikel

120 Sekunden für die Schulreform

Im Schnelldurchlauf müssen Lichtenberger Bezirkspolitiker auf einer Versammlung erklären, warum Bürger sie wählen sollen. Das Konzept funktioniert. Auch, weil die Veranstalter Fragen gesammelt haben, die im Kiez interessieren

Von ROT

Wer es durch einen verwilderten Park und an der maroden Trabrennbahn Karlshorst vorbei bis unter die Haupttribüne geschafft hat, den erwartet dort im großen Saal der Rennbahnarena eine kleine Überraschung. Die Bürgerversammlung zur Kommunalwahl im September, vom Netzwerk Aktive Stadt Karlshorst organisiert, ist mit rund 200 Besuchern prall gefüllt – und professionell vorbereitet.

Auf jedem der Stühle liegt ein Faltblatt aus Pappe, auf dem die Köpfe der geladenen Politiker in einer Reihe abgebildet sind. Darunter bleibt Platz für Notizen – welche Antworten geben die Lokalpolitiker auf Fragen, die die Menschen im Kiez besonders bewegen.

Organisiert haben die Veranstaltung die Bürgerplattformen Organizing Schöneweide und WerkNetz Karlshorst. Diese Plattformen sind so etwas wie ein Ausschuss von Bürgerinitiativen, anderen Kiezorganisationen und engagierten Bürgern. Schulen arbeiten ebenso mit wie Kleingartenvereine oder Kirchen- und Umweltgruppen. Die Plattformen wollen sich direkt in die Kommunalpolitik einmischen. Deshalb haben sie die Veranstaltung organisiert. Dutzende Fragen und Probleme wurden gesammelt, die die Menschen in den Kiezen bewegen: meist aus den Bereichen Schulen, Verkehr, Freizeit und Sport.

Für die Veranstaltung wurden sechs der wichtigsten Fragen ausgewählt, für deren Beantwortung bitten die Organisatoren jeweils einen Vertreter der Parteien auf die Bühne – geladen sind SPD, CDU, Linkspartei.PDS, Grüne und FDP. Die Politiker haben je 120 Sekunden Zeit, ein Statement abzugeben. Zwar wirkt das Ganze recht schematisch, und die Themen werden zumeist auch nur kurz angerissen – aber immerhin garantiert diese Form der Veranstaltung die Einhaltung des engen Zeitplanes.

„Lichtenberg hat bundesweit ein schlechtes Image – Stasi, Nazi, Plattenbau“, beginnt der Lichtenberger Gesundheitsstadtrat Andreas Geisel (SPD) seinen Beitrag zum Ausbau von Jugendeinrichtungen in Karlshorst, einem Ortsteil Lichtenbergs. Diesem Image gelte es ein anderes entgegenzusetzen. „Wir wollen ein kinder- und jugendfreundlicher Bezirk sein, gerade Karlshorst hat viel Potenzial dazu.“ Deshalb befürworte er die Förderung von Jugendeinrichtungen. Erwartungsgemäß stimmen dem auch die anderen Parteien zu.

Dissens gibt es hingegen beim Kampf um den Erhalt des Regionalbahnhofes Karlshorst – allerdings auch zwischen den Vertretern derselben Partei. Während die einen sich für Karlshorst aussprechen, bevorzugen andere den Bahnhof Köpenick als künftigen Regionalbahnhof im Berliner Südosten. Ihr Argument: Man müsse dorthin, wo die Nachfrage am größten sei. Zudem sind es nur zwei S-Bahn-Stationen von Karlshorst nach Köpenick.

Konkrete Fragen haben die Bürger auch zur Ausstattung der Grundschulen im Kiez. Doch statt Lösungsansätze zu bieten, die schnell Missstände wie den Unterrichtsausfall beseitigen können, bieten die Parteien ihre üblichen Wahlkampfpositionen: Die FDP möchte mehr Wettbewerb zwischen den Schulen, auch die CDU spricht sich für eine „bunte Schullandschaft“ aus – ohne zu erwähnen, dass davon vor allem die bildungsnahen Schichten profitieren.

Die PDS hingegen favorisiert ihr Modell einer Schule für alle mit einer Klassenstärke von 24 Schülern, das sie innerhalb der nächsten fünf Jahre umsetzen will. Und die Grünen wollen 20 Prozent der erwarteten Mehreinnahmen durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer in die Schulen stecken: Es könne nicht sein, dass Berlin jedes Jahr 1.000 Lehrer ausbilde und diese in andere Bundesländer ziehen lasse, weil hier kein Geld für Neueinstellungen vorhanden sei, hieß es. ROT