: Buchtipp
Der König des Radels
Souleimman Semo hat ganz Afrika durchradelt, von Amman bis Kapstadt. Ein Jahr hat er dafür gebraucht, anschließend hat er ein Buch darüber geschrieben. Was solche Bücher zu lesen interessant macht, sind nicht die stilistischen Raffinessen des Autors – Beispiele aufzuzählen wäre nicht fair –, auch nicht die Beschreibungen der bereisten Gegenden: dass die Afrikaner sehr gastfreundlich, aber auch sehr aufdringlich sein können, ist hinlänglich bekannt, und auch, dass es für europäische Verhältnisse dreckig ist.
Es ist der schiere Wille, etwas zu erreichen, das Durchhaltevermögen, das die Lektüre dieses Buchs lohnenswert macht. Er hätte genauso gut beschließen können, den Mount Everest zu besteigen. Solche Strapazen auf sich zu nehmen und bis zum Ende durchzuhalten, ist eine enorme Leistung. Steine werfende Kinder, abgefrorene Füße (im Sudan, nicht am Everest), eiskaltes, dreckiges Duschwasser, endlose Sandpisten – nichts kann ihn abhalten, die Kilometer „herunterzukurbeln“.
Diese Spezies Mensch verortet man eher im 18. und 19. Jahrhundert, als Typen wie Mungo Park (verewigt von TC Boyle in „Wassermusik“) oder Robert Scott (verewigt in seinen eigenen Tagebüchern) den eigenen Tod nicht scheuten, nur um irgendwohin zu kommen, wo vorher noch keiner (will heißen: kein Weißer) war. Es mag ein etwas pathetischer Gedanke sein, aber in Zeiten des demoralisierenden Stillstands, der ewigen schlechten Nachrichten, ist es einfach erfreulich, wenn es Leute gibt, die den Mut und den Willen zu solchen Taten besitzen.
Der manische Reisende Paul Theroux hat an verschiedenen Stellen seiner Reisebücher gute Beobachtungen über Rucksacktouristen angestellt, die alle auf Semo zutreffen: In typischer Traveller-Manier beschreibt er in erster Linie, was alles furchtbar war, wer ihn wo übers Ohr hauen wollte, wo er nicht mehr konnte und wie schön es war, Europäer zu treffen und Katastrophengeschichten auszutauschen. Einheimische Tiere ziehen ihn weit stärker an als einheimische Menschen. Aber es wäre nicht fair, ihm das zum Vorwurf zu machen.
Martin Hag
Souleimman Semo: „Radflimmern. Mit dem Fahrrad unterwegs in Afrika“. Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2005, 266 Seiten, 17,50 €